Sanssouci: Nachschlag
■ „Unter dem Milchwald“ im theaterforum kreuzberg
Walisisches Stilleben Foto: Thomas Aurin
Irgendwo in Wales, in einer kleinen Stadt mit großen Problemen, spannt sich ein poetischer Regenbogen von makabren bis obszönen allzu menschlichen Schicksalen. Kapitäne, Huren, Nichtsnutze und andere Vertreter walisischer Kleinkunst läßt der gallige Dichter Dylan Thomas unter dem Milchwald die (Alp-)Träume ihres Lebens aufsammeln. Sprachlich exzentrische Phantasmagorien und chauvinistischer Biertischbarock sind das dichterische Vermächtnis von Dylan, der 1953 starb.
Sein eigenwilliges Spiel für Stimmen „Under milkwood“ wurde in der kollektiven Eigenproduktion des theaterforum kreuzberg zwar liebevoll, aber leider stocknüchtern inszeniert und gespielt. Im Stück wird der Seelenzustand von 40 Personen mikroskopiert. In der Aufführung aber wird die Tiefenschärfe arg vernachlässigt, Menschenverachtendes und Selbstzerstörerisches in den Geschichten der Figuren bleibt unscharf. Die poetische Sprache zerbricht an einer unzureichenden Stimmführung. Allein die Tatsache, daß dieses Panorama keinerlei Figurenstreichung erträgt, zwingt jede Inszenierung zu waghalsigen Doppel- und Dreifachbesetzungen. Dadurch wirken viele Episoden in diesem Fall sehr gehetzt, immer droht schon der nächste Umzug hinter dem Vorhang. Zahlreiche Figurenwechsel überfordern die Akteure sichtbar. Die Charakterisierungen bleiben wäßrig und bedienen oftmals nur die Amüsementbereitschaft der Dylan-Fangemeinde im Publikum. Man verläßt sich auf die Aussagekraft des Kostüms, statt sich der schauspielerischen Herausforderung zu stellen. Ein solches Stück, mit seiner fast lyrischen Sprachgewalt, seinem verdichteten und absichtsvoll labyrinthischen Handlungsverlauf ist vielleicht eine entscheidende Nummer zu groß geraten für das theaterforum. Stefan Wieszner
Bis zum 16.5., Fr.–Mo., 20.30 Uhr, theaterforum kreuzberg,
Eisenbahnstraße 21, Kreuzberg
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