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SanssouciVorschlag

■ Einfacher Billy: Reverend Horton Heat im Huxley's Jr.

Als vor ein paar Jahren ausgerechnet das SubPop-Label diesen Musiker präsentierte, dachte man an ein paar durchgeknallte (Hirn-)Sicherungen und eine nette kleine Verarsche: Reverend Horton Heat, goddamm, wer zum Teufel war das? Im großkarierten Jackett, mit Binder und schmierig zurückgekämmten Haaren glotzte uns dieser Typ vom Cover seines ersten Albums an. Ein wenig bescheuert, ein wenig smart, vor allem aber hinterlistig stand er da vor beige-gelbem Hintergrund. Und die Musik? Lupenreiner Psycho- und Rockabilly, den der Reverend mit seiner Band live eingespielt hatte und völlig unproduziert auf Vinyl pressen ließ: niedrig dosiert, aber hochexplosiv und nach den Cramps-Aufgeblasenheiten mal wieder recht faszinierend.

Fast von selbst versteht sich, daß dieser Reverend nur eine Predigt kennt, die des Bösen, des Teufels, der ihn hetzt, durch dessen Reich er hellraisert. Rock 'n' Roll ist sowieso nie christlich- nächstenliebende Missionsarbeit, ob Billy, Grindy oder Grungy. Allerdings mußte allein die Vergangenheit des jungen Jim Heath, so sein bürgerlicher Name, einfach für die Schattenseiten des Lebens prädestinieren: legendär sein Werdegang vom Findelkind zum Waisenhaus direkt auf die Straße, deren Lied er nun am nötigsten hat, und das er auch am meisten mag. Logisch, daß er zehn Monate im Jahr auf Tour geht, den hard working man markiert. Was komischerweise nicht im Sinne seiner Plattenfirmen ist. Diese zittern um Leib und Leber ihres Helden, denn was liegt auf der Straße näher und ist erträglicher als der alltägliche Schluck aus der Pulle? Dem wird dann natürlich Denkmal um Denkmal gezimmert. Folglich singt er den „Gin & Tonic Blues“, schlürft sein „Beer: 30“, und schluckt literweise „liquor, beer and wine“, hard drinking man, der er eben ist. So geradeaus, knorke und oft ohne allzuviel Tiefgang des Reverenden Billy ist, so einfach und direkt sind auch seine übrigen Botschaften. Da wird nicht ob der Härte des Daseins gejammert und gegreint, sondern lustvoll mit beiden Händen in die Scheiße gepackt, zynisch ein antivegetarisches „Eat steaks“ geblasen – der Mann kommt schließlich aus Texas! – oder schattig einladend die Ehre des schlechten Rufs beschworen: you got a bad reputation like no one around, you got the worst reputation down my street, you're the kind of girl I like to meet. Soll halt Living On The Edge (Of Houston) wo auch immer sein. Und wenn er gerade nicht gestorben ist, dann sehen wir ihn auch heute. Gerrit Bartels

Heute, 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 110–114, Neukölln.

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