piwik no script img

SanssouciNachschlag

■ a-bel, b-bel, c-bel, hmm - Phonetische Poesie im Acud

„ehm ... 'ne ... ach ja ...“ gesprächsunterstützende Hms nennt man sowas. Hier war's Poesie und Musik zugleich. Die fragmentarischen Worte, Laute des Zuhörenden, die eine Unterhaltung fördernd begleiten, waren das Material des vorgetragenen Gedichts. Zwischen den ermunternden Tönen erklang Schweigen. „Lieder nach Texten aus dem täglichen Leben“ nennt Michael Hirsch diesen Zyklus, aus dem er einige Gedichte erstmalig vortrug. Der Autor, Komponist, Regisseur und Schauspieler (in Achim Freyers letzter Produktion an der Volksbühne war er zu sehen) arbeitet im Grenzbereich von Musik und Sprache. Der Ex-Münchner und der Wahl-Münchner Michael Lentz, mit dem zusammen er diesen phonetisch-poetischen Abend bestritt, sind beide im Ensemble von Josef Anton Riedl. Im Rahmen der Weekend-Lesereihe im Acud trugen die beiden eigene Texte vor. Daneben Gedichte von Gerhard Rühm, Konrad Bayer und Paul Klee, um die altvorderen Lautväter als erste zu nennen, wie auch von Tom Johnson, dem amerikanischen Minimalisten, oder Meister Riedl selbst.

„It's your turn oder einfach genug“ ist eines der Gedichte von Michael Lentz aus seinen „sprechakten“. Es variiert, spielt mit den Sätzen: ein Buch schreiben, Erfolg haben, in die Klapse kommen, ein dickes Buch schreiben usw. Wunderbar ebenso ein weiteres Gedicht des Literaturstipendiaten der Stadt München: „das war schwer und untröstlich“. Im Duo wurde es vorgetragen, ein penetrantes Klage-Pingpong. Rühms „Rede an Österreich“ wurde von Michael Hirsch zur gnadenlosen Wiener Schmähhymne. Die anfänglichen Versuche des Publikums, die Künstler nicht mit Lachsalven zu übertönen, scheiterten bald.

Stilvoll vom Notenständer ablesend, ohne szenische Arrangements, Gags und mimische Kommentierung wurden die Texte mit beeindruckender Geschwindigkeit und genauester Artikulation gelesen. Der professionell und sorgfältig einstudierte Abend geriet so nicht zum launigen Dichtervortrag, der sich auf die Qualität der Texte verläßt. Zum Abschluß schließlich von Cornelius Hirsch „Jetzt wird vorhin sein“, ein Sprechtext mit Saxophon und Metallplatten, von Lentz interpretiert: ein ohrenbetäubendes Ende. Dann Stille und viel Applaus.

1916 erklärte Hugo Ball im Cabaret Voltaire dem Publikum, man verzichte mit dieser Art Klanggedichte auf die durch den Journalismus verdorbene und unmöglich gewordene Sprache. Die Avantgarde hatte ja so oft so recht. Caroline Roeder

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen