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SanssouciVorschlag

■ Chinas Rockqueens sind zurück – Cobra spielen im HKW

Nachdem Cobra bei ihrem letzten Konzert im Haus der Kulturen der Welt das gesamte Publikum zum Rocken brachte, sind sie dieses Jahr wieder hier und werden heute abend die Leute vom Dach pusten. Die ungeheuer ungewohnte, lustige Mixtur bringt dem europäischen Ohr, neben Hard Rock der alten Schule mit ausschweifenden Gitarrensoli und johlendem Gesangstremolo auch chinesische Balladen und östlich Besinnliches. Alle fünf Queens studierten eigentlich klassische Musik, nicht chinesische, sondern Bach, Mozart, Schumann, und spielen jetzt, vor allem seit 1989, Rock.

Ju Yin, die Keyboarderin, beschreibt 1989, das Jahr der Gründung von Cobra, als das Jahr des Aufbruchs, als es für junge Leute in Peking auf einmal möglich schien, Rock zu machen, sich zu treffen, Musik zu hören. Das dauerte nicht lange, 1989 war auch das Jahr des Tiananmen-Platzes, jetzt ist Rock in China wieder zu etwas Halblegalem geworden. Xiao Nan, die Gitarristin, erzählt, daß die Konzerte von Bands wie der Rock- und Rebellengröße Cui Jian, dessen Lieder von den Studenten auf dem Tiananmen-Platz gespielt wurden, oder Metal Bands wie Tang Dynastie meist ohne Vorankündigung in kleinen Räumen stattfinden. Die Eintrittspreise sind verheerend hoch, die Räume vollkommen überfüllt, und alle warten darauf, daß die Polizei kommt. Die ist bei Cobra bislang nur gekommen, wenn sie auf dem Land spielen. Das mag daran liegen, daß sie, im Gegensatz zu Cui Jian, der seine Regimekritik ausdrücklich deutlich macht, ihre Kritik zwischen die Zeilen schreiben. Die meisten Texte der fünf Frauen handeln von „Frauen auf dem langen Marsch“. Und dabei sind sie, so ihre Selbsteinschätzung, recht unchinesisch. Sie schreiben für freie Entscheidung, gegen verklebte Selbstaufgabe. „Es ist mir gleich, ob du gehst, such nicht nach zärtlichen Ausreden. Ergreif nicht meine Hand, geh deinen eigenen Weg. Kann schon sein, daß ich vor dem Alleinsein Angst habe, kann schon sein, daß ich für eine Zeitlang kein Zuhause habe...“ Bei ihrem letzten Auftritt war nicht auszumachen, ob die vielen ChinesInnen, die mit Fan-Transparenten ins Haus der Kulturen der Welt kamen, aufgrund dieser Texte und/oder wegen der harten Musik, die die Anhängerinnen von Janis Joplin, den Doors oder den Rolling Stones produzieren, in ein endloses Kreisch- und Beifalls-Orchester ausbrachen. Cobra ist eine der eindrucksvollsten Bands von Freundinnen, oder Rockqueens, wie sie sich selber nennen, die versuchen, ihre Befindlichkeit zwischen den Kulturen auch durch ihre Musik zu verarbeiten. Schon mal Rock auf chinesisch gehört? Annette Weber

Heute abend, 20 Uhr, Haus der Kulturen der Welt (bei schönem Wetter auf dem Dach), John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten.

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