Sanssouci: Vorschlag
■ Jünger des Wassermann- Zeitalters: Galliano im Tempodrom
Die Erfinder von Acid Jazz und Wiedereinführer der Beatnik- Bärte glauben immer noch an das Gute in der Welt. Mittlerweile gehen sie jetzt barfuß auf good-vibration- und groove-Suche und landen dabei bei der großen Rock-Geste. Auf ihrer letzten Veröffentlichung „The Plot Thickens“ folgen die Jünger des Wassermann-Zeitalters neben ihren alten Erleuchtungen und Lehrern (Linton Kwesi Johnson und Jalal von den Last Poets) einer Eingebung, die sie Folk-Rock-Schinken wie Crosby, Stills, Nash and Young covern ließ. Das alles geht gut, richtig gut sogar. Galliano sammelt die positiven Vibrationen in der schwarzen, afrikanischen Kultur auf. Reggae und Dub Vibes in „Skunk Funk“ mit bekifftem Funk verbunden, darüber eine Theatralik gelegt und wilde Bärte wachsen lassen – das ist Galliano.
Rob Gallagher, einstmals Earl Zinger, hat dabei Verbundenheit zu König Artus entdeckt, dessen Ruhestätte er auf „Twyford Down“ nicht durch wuchernden Autobahnbau zerstört wissen will. Auch Politik im direkten Sinne der Anklage tagespolitischer Schlechtigkeit machen Galliano – mit Raps am Telefon. Familienmitglied Spry pocht auf die Offenheit, Aufnahmefähigkeit, Mobilität und Veränderbarkeit der Band. Vielleicht haben deswegen auch ausgesprochen poppige Leute (wie etwa Mick Talbot, der Keyboardmann von Style Council) keine Scheu, sich zeitweilig an die Familie Galliano zu binden. Hier der kommerzielle Pop-Kontrolleur, da das bunte Häufchen, geschnürt in englisches Tuch und positive Klänge.
Immer mehr zeichnet sich bei Galliano ein Hang zum epenhaften Rock ab, was sich in ausschweifendem Gitarrenspiel, das manchmal schon an Santana-Grusel hinreicht, und bombastischen Gesangstürmen zeigt. Dann wieder steigen sie hinab und wollen Klänge erzeugen, die die Jugend glücklich macht und alle, alle guten Menschen vereint. Sie wollen am Puls bleiben und sagen so altmodische Dinge wie „Panta Rei – alles fließt“, als ob das nun nicht wirklich schon durch Acid-House, Jazz-Techno und Ambient-Trance bis zum Heulen in unsere Hirne getragen wurde. Zumindest um sich über neue, stilbildende Elemente zu informieren und sich der Galliano-Familie zugehörig zu fühlen kann man sich das Happening heute anhören. Annette Weber
Galliano, heute, 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten.
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