Sanssouci: Vorschlag
■ Die Extra-Vagantin am Kontrabaß: Joälle Léandre im Podewil
„Wer singt, trägt an seinem Instrument, der Stimme, auf Reisen, nicht schwer. Auch Pianisten müssen ihr Instrument nie tragen. Aber ich, ich schleppe den Kontrabaß überall hin. Er ist meine Säule und mein Kreuz. Seit 25 Jahren.“ Als Musikerin ist Joälle Léandre immer unterwegs. Sie nennt sich „extravagant“, weil das Wort „Vagant“ darinsteckt – „der fahrende Spielmann“, hier: die fahrende Spielfrau. Ursprünglich als Orchestermusikerin ausgebildet, gehört sie zu den Pionierinnen, die den Kontrabaß in der Neuen Musik zum Soloinstrument gemacht haben. Auf der Bühne steht die Französin mit „der riesigen Schachtel“ und entlockt ihr Geräuschkaskaden, die dem tiefen Ton jede Behäbigkeit nehmen. Unter ihren Händen wird der Kontrabaß zu einem Dialogpartner für jedes Thema zwischen „Duo, Dualität und Duell“ bewegt. Joälle Léandre trägt den Kontrabaß, tanzt mit ihm, schlägt und tritt ihn, streichelt ihn, gebiert und empfängt ihn (auf Video) und immer kommen Töne heraus, die in die Komposition oder Improvisation eingebaut werden. Ihre Stimme wird dabei genauso für das „Universum der Geräusche“ verbraucht wie Poesie, Theater und Tanz.
Drei ganz unterschiedliche Facetten ihrer Arbeit sind jeweils montags im Podewil zu sehen und zu hören. Spannend wird, was heute bei der Uraufführung von „(J + J + J) + X: SEPTEMBER“ rauskommt. Mit John Cage, einem der vielen Komponisten, der für sie Stücke geschrieben hat, teilt Joälle Léandre nicht nur den ersten Buchstaben des Vornamens, sondern auch die Geburtsdekade, den -monat und das Sternzeichen. Die drei Js und der September sind eine Hommage an Cage, bei der seine Theorie von Struktur und Zufall aufgegriffen werden.
Eine Woche später wird sie die Grenzen musikalischer Improvisationsfähigkeit gleich in zwei Trios ausloten, denn sie spielt nicht nur mit Rüdiger Carl und Carlos Zingaro in der Formation Canvas, sondern auch mit den beiden „Musikerinnen mit leichtem Gepäck“, der Sängerin Maggie Nicols und Irène Schweizer am Klavier. Dieses Trio „Les Diaboliques“ verspricht dreifachen musikalischen Eigensinn. Am Montag danach ist Joälle Léandre solo mit eigenen Kompositionen zu hören. Waltraud Schwab
Heute, 26.9. und 3.10. jeweils um 20.30 Uhr im Podewil, Mitte
Den Kontrabaß empfangen: Joälle Léandre Foto: Emma
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen