Sanssouci: Vorschlag
■ „Kriemhilds Rache“ von Hebbel in Langhoffs Regie jetzt am DT
Thomas Langhoff, der aus deutschen Dramen manchmal so schöne, federleichte Boulevardkomödien macht, hat sich diesmal einen bleischweren Stoff vorgenommen: den dritten Teil von Friedrich Hebbels Nibelungen-Trilogie. Dem Abend waren zwiespältige Kritiken von der Premiere im Theater an der Wien vorausgeeilt, wo „Kriemhilds Rache“ schon Anfang Juni im Rahmen der Wiener Festwochen herausgekommen war. Und auch der Blick in die Besetzungsliste nährte zunächst Vorurteile: Langhoffs bewährte Protagonistenschar, von Dagmar Manzel (Kriemhild) und Jörg Gudzuhn (Hagen Tronje) angeführt, stehen für hochklassiges, aber eben oft gefährlich gefälliges Theater. Doch es kommt anders: Das Publikum folgt der Aufführung beinahe bewegungslos und ist auch am Ende noch so gebannt, daß der begeisterte Applaus nur zögernd in Gang kommt.
Hagen von Tronje, Kriemhild, König Gunther und seine Brüder, sogar Etzel, der schreckliche Hunnenkönig: Das sind alles kleine Leute, keine großen Helden. Sie wollen, was jeder will. Liebe und Familie, kurz: ein bißchen Glück. Aber sie sind kleinlich, dumm und können nicht von ihren lächerlichen Prinzipien lassen. Sie enden deshalb in der Katastrophe. König Etzel (Dietrich Körner) will lieber ein netter Vater sein als ein mächtiger König. Giselher (Guntram Brattia) will kein Krieger sein, sondern Bruder, Schwager, Onkel. Und der Siegfriedmörder Hagen bewundert seine Widersacherin Kriemhild insgeheim (Wer wünschte nicht ein Weib wie sie...?). Langhoff nimmt alle ernst, die Helden, den Haß, die sprichwörtliche Nibelungentreue. Er läßt die große Tragödie sich entfalten, indem er die Geschichte der einzelnen Figuren erzählt. Allerdings: Das Geschehen selbst bleibt weit entfernt. Keine Parteinahme macht ein Mitleiden möglich.
Niemals war Thomas Langhoff so ernst, nie seine Schauspieler so zurückgenommen, und so wird dann aus der Tragödie der kleinen Leute schließlich doch noch ein deutsches Gleichnis: Wenn König Gunther (Götz Schubert) im Nachthemd ahnungslos dasteht, das Unheil, das da kommt, zwar ahnt, ihm aber nicht zu begegnen weiß – ein deutscher Michel, wie er im Buche steht. Esther Slevogt
Nächste Vorstellungen: Heute sowie 1.10., 19.30 Uhr, Deutsches Theater, Schumannstraße 13a, Mitte.
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