Sanssouci: Vorschlag
■ Kabarett Faltsch Wagoni
Die Kabarettisten: charmant Foto: Pierre Pitterle
Angeblich hat alles zwei Seiten. Nachhilfe aus der Perspektive der unterschlagenen Seite bietet das Münchner Läster-Duo „Faltsch Wagoni“ derzeit im wiedereröffneten Unart in der Oranienstraße. Der „Schau- und Aktionsraum“ wäre maßlosen Mieterhöhungen fast zum Opfer gefallen. Nur dank vieler Freunde, die über die Grenzen hauptstädtischer Kulturpolitik hinaus denken können, gibt es die Kleinkunstbühne noch. Zu ihnen gehören die liebenswürdige Spötterin Silvana Prosperi und der „Grotextsänger“ Thomas Busse. In bester Schale kommen sie auf die Bühne, um ihre tiefsinnigen Weisheiten unters Volk zu bringen: Sie – im blauen Kostüm mit Blumen an der Brust – hat eine Vorliebe für fiese Töne, er – in Schlips und Kragen – ist nicht selten ihr erstes Opfer. „Vom Feinsten und Gemeinsten“ heißt das Programm, ein Zusammenschnitt der Arbeit der letzten zehn Jahre. Viel verpatzte, versuchte, vergebliche Liebe wird im ersten Teil vorgeführt. Dazu gehören so neuartige Tänze wie der „Verpasso doble“: „Ich geh' zu keinem Rendezvous – warum? Ich find' nicht hin.“, der „Warumba“ und auch das „Canson d'arôme“. Nie kommen Mann und Frau zusammen. Sie scheitern, weil die Menschen nicht mehr miteinander sprechen. Weil sie nur noch Spaß haben wollen. Silvana Prosperi und Thomas Busse nutzen dabei ihre Geschlechterdifferenz schamlos aus und beziehen sich jeweils als gegenseitiges Objekt – besser: Nobjekt – der Begierde aufeinander. Aber auch die dazu passende Gesellschaft bekommt ihr Fett weg. „Deutschland, du, du mein Palmenstrand, du bist die Härte, mein Vaterland!“ Während bei den nur auf deutsch gesungenen Texten die Komik durch allzuwörtliches Wörtlichnehmen zustande kommt, steht in „Volapüks Rache“ die phonetische Manipulation im Vordergrund. Volapük ist wie Esperanto eine Kunstsprache. „Raben cadavre – chèvre de Zimt – spinaci Wachtel – morceau de Mist – chicken Hirn amputé – povero Leuchter – eau de vie Drossel – Nerven sega“. Verstehen aber ist das Ticket, um bei Faltsch Wagoni, dem „erprobten Fortbewegungsmittel für Neugierige“, einsteigen zu können. Waltraud Schwab
Faltsch Wagoni spielt täglich außer Montag bis zum 5.10. jeweils 20 Uhr im Unart, Oranienstraße 163.
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