piwik no script img

SanssouciNachschlag

■ "Von Liebe und Schatten", eine Allende-Verfilmung

Ginge es nach der Filmemacherin Betty Kaplan, gab es in Chile nach 1973 nur zwei böse Menschen: einen weißbärtigen Giftzwerg namens Pinochet, der wie weiland Julius Caesar seine Liquidationsbefehle aus der Sauna schickt, und einen zähnebleckenden Sado-Kommandanten, der am liebsten das ganze chilenische Volk zu Tode foltern würde. Alle anderen sind Opfer dieser omnipotenten Zweierverschwörung.

Zum Beispiel die Offiziere: Zwar stramm faschistoid, wie es sich für lateinamerikanische Militärs gehört, durchdrungen von zackigem Moralempfinden und irgendwie doch anständig, werden auch sie vom bösen Rumpelstilzchen in der Sauna mißbraucht. Grausam wird ein heldenhafter Putschversuch der Nachwuchs-Kommißköppe niedergeschlagen. Oder die niederen Soldaten: Mit Tränen in den Augen müssen sie unter der Knute des herrischen Sado-Kommandanten ihre Landsleute verschwinden lassen. Oder das Großbürgertum: Harmoniebedürftig und ordnungsliebend erblickte es im General einen Garanten für die Stabilität von einst, zu Tode erschrocken entdeckt man die martialische Fratze des alten Augusto. Oder Antonio Banderas: Hat er doch Freud, Jung, Marx und die Therapiererei studiert und kommt als Sohn eines spanischen Anarchisten doch nicht zum Zuge. Bei einer Modezeitschrift muß sich dieses rehäugige Bürschchen, das stets aussieht wie aus einer Boss-Reklame gepurzelt, verdingen. Im geheimen aber gehört Francisco zur „Schattenarmee“, stellt seine psychologischen Kenntnisse (die aus dem Satz „Sie müssen leben, stark sein und kämpfen“ bestehen) in den Dienst von Folteropfern. Eine kapriziöse Starreporterin aus gutem Hause bringt Gefühl ins einsame Dasein des Helden. Gemeinsam entdeckt man die Liebe und ein Massengrab. Auf den Schock darf Banderas seinen knackigen Hintern während einer ausgedehnten Softpornosequenz in die Kamera recken, und hier behält mal die Dame ihre Strümpfe an. Isabel Allende schrieb die Geschichte von Irene und Francisco auf, „damit die Zeit sie nicht verbraucht und damit der Wind sie nicht davonträgt“. Als Off-Text sind einige der kitschig sprießenden Stilblüten des Romans („er hat mich gelehrt, was Liebe bedeutet“) in Betty Kaplans Verfilmung eingegangen. Zu Pferde galoppieren die beiden schließlich ins Exil. Katja Nicodemus

„Von Liebe und Schatten“. Regie: Betty Kaplan. Mit: Jennifer Connelly, Antonio Banderas, USA 1994.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen