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SanssouciNachschlag

■ Tina Engel spielt „Das Jagdgewehr“ von Yasuhi Inoue in der Probebühne der Schaubühne

Schauspielersoli haben derzeit an der Schaubühne Konjunktur. Nach „Averroes auf der Suche“ von Jorge Luis Borges mit Libgart Schwarz und „Kleist. Geschichte einer Seele“ von Ulrich Matthes wurde nun als dritte Einzelproduktion dieser Spielzeit die Erzählung „Das Jagdgewehr“ von Yasuhi Inoue mit Tina Engel dramatisiert. Was den japanischen Regisseur Yoshi Oida, bekannt für einige No-Theater-Inszenierungen, mit dem Text verbindet, hat der Abend nicht deutlich gemacht. „Das Jagdgewehr“ hat nicht ins Schwarze getroffen. Irgendwo im Randbereich hat es einen unentschlossenen Streifschuß plaziert.

Dabei ist die Erzählung des japanischen Autors ein reizvoller Text, der sich für eine Dramatisierung durchaus anbietet. Beschrieben werden die Konflikte dreier Frauen mit einem einzigen Mann. Ihm gehört auch das Jagdgewehr, welches das zentrale Thema von Tod und Betrug symbolisiert. Das Stück beginnt mit dem Monolog einer Frau, die nach dem Selbstmord ihrer Mutter deren heimliches Liebesverhältnis aufdeckt. In einem Brief an den Liebhaber ihrer Mutter wirft sie ihm vor, von beiden und ihrer „traurigen Liebe“ jahrelang hintergangen worden zu sein. In ihrer ersten Rolle als Tochter trägt Tina Engel einen nonnenhaften Rundkragenmantel und agiert gleichsam alterslos.

Als nächstes tritt die betrogene Ehefrau des Mannes auf. Tina Engel erblüht hier immerhin zu einer pinkfarbenen und etwas glitzernden, rachegöttischen Größe, zu einer gewissen Üppigkeit, auch im Spiel. Sie spricht von der Ehe als „Festung“ und vom Betrug als Rettung – Betrug gegen Betrug als prästabilisierte Harmonie.

Um so stärker fällt dann die Rolle der eigentlich Geliebten im zu kurzen Kimono ab. Merkwürdig teilnahmslos läßt Tina Engel die traurige und verborgene Liebe mit dem Giftbecher enden. Der zentrale Konflikt des Stückes wird in Stimmführung und Spiel kaum dramatisch gemacht. Weder als Ehefrau noch als Geliebte, die beide um den Betrug wissen und sich in der Todesstunde offenbaren, hält die Schauspielerin – und mit ihr die Rede – den Atem an.

Der Text läuft in einem gleichmäßigen Rhythmus ohne Zäsuren und Brüche durch. Die drei Monologe, in der Vorlage drei Briefe, werden zügig und wohltönend abgeschnurrt. Was manchmal holpert und unfreiwillig steckenbleibt, sind die Gesten. Zwei zum Schießeisen aneinandergelegte Finger, mit denen die Schauspielerin plötzlich nichts mehr anzufangen weiß. Aber auch die textstützenden Mikroaktionen lassen keinen Raum, die eher beliebigen Requisiten keine Atmosphäre entstehen: die Charaktere, mehr verbal umschrieben, werden im Spiel nicht gefüllt. Nur der Text wird gewaltsam über das orangefarbene Podest gezogen; vielleicht weil der Regisseur kein Deutsch spricht, wird hier so viel dramatisierbares Material verschenkt. Tina Engel jedenfalls kann mehr und hätte sich nuancenreicher in den geschmeidigen Text einfügen können – hätte ihr auch der japanische Ausstatter Yoshi'o Yabara ein wenig kleidsame Fürsorge geschenkt. Michaela Ott

Nächste Aufführungen heute, 21./22. 10., 20 Uhr, Schaubühne, Probebühne, Cuvrystraße 7, Kreuzberg.

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