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SanssouciVorschlag

■ Will Tradition nicht nur nachäffen: David Murray im Quasimodo

David Murray Foto: Detlev Schilke

War er der Wynton Marsalis der achtziger Jahre? Jein. Denn auch der heute 39jährige David Murray hatte mal seine Wynton- Tage. Die vor zwanzig Jahren etwa begannen, als der Tenorsaxophonist und Baßklarinettist David Murray gemeinsam mit dem Trommler, Poeten und Essayisten Stanley Crouch von Kalifornien nach New York übersiedelte. Crouch habe ihn entdeckt und in die New Yorker Loft-Szene eingeführt, heißt es heute, und zwar noch bevor dieser in den achtziger Jahren zum Mentor des aus New Orleans zugereisten Trompeters Wynton Marsalis wurde. Bevor Crouch zum schwarzen (Neo-)Konservativismus konvertierte, Albert Murray und Ralph Ellison las, sich zum hanging judge erklärte, und Avantgardisten wie Murray gerade noch als „charismatisch irgendwas“ bezeichnen mochte.

Murray, der das World Saxophone Quartet gründete und mittlerweile weit über 100 Platten aufnahm, spielte in den achtziger Jahren auch Musik zu den Texten der afroamerikanischen Polit-Poeten Amiri Baraka und Ishmael Reed. Heuer – in der Wynton-Marsalis-Dekade – wird Jazz vom handwerklich-korrekten Standpunkt aus neudefiniert. Und da ist dann von Marsalis, der selbst einst in Murrays Oktett spielte, zu erfahren, daß Murray nicht die rechte Ahnung vom echten Jazz habe. Murray stimmt zu, daß er wohl nie ausgelernt haben werde, aber wendet auch ein, daß es nichts bringe, nur die Tradition nachzuäffen: „Im New Jazz ist es der Funke, der entzündet wird, wenn ein Jazzmusiker eine neue Komposition zum ersten Mal interpretiert und darüber improvisiert.“ Was der Mann damit meint, kann man auf seiner aktuellen Quartett-CD „Shakill's II“ (DIW) hören. Jetzt ist Murray mit seiner kalifornischen Funkband Octofunk auf Tour, und das ist überhaupt die Gelegenheit, mal auf „gute Europäer“ zu machen. Denn, so Murray: „Was Europa den USA voraus hat, ist, daß die Leute sich auf Live-Musik konzentrieren. Sie nehmen Mühen auf sich, um Konzerte zu besuchen. Selbst bei schlechtem Wetter. Wenn es in Los Angeles regnet, könnte Gott auftreten und niemand käme.“ Christian Broecking

Heute, 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg.

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