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■ „The Wrestling School“ mit Stücken Howard Barkers im Hebbel

Still und selbstgenügsam ruht die Berliner Theaterlandschaft im fahlen Licht des Januars. Aber hinter den Bergen wohnen auch Menschen. Das beweist wieder einmal das Hebbel Theater, wo in den nächsten zwei Wochen drei Gastspiele aus London und der Schweiz gezeigt werden. Zeitgenössische Dramatiker schreiben so gut wie keine Tragödien. Schon aus diesem Grund sprengen die Stücke des Engländers Howard Barker den Rahmen des Gewohnten. Seine Menschen lieben gegen jede Vernunft und leiden über alle Maßen, sie begehen Verbrechen und werden gräßlich bestraft, sie hadern mit Gott, sie morden und sterben, als wär's ein Stück von Shakespeare. Auch die Sprache dieser Dramen, ihr Metaphernreichtum und ihre poetische Kraft, erinnert an große Traditionen. Und dennoch ist Barker kein Epigone. Seine Sicht auf den Kampf der Geschlechter, auf Sex und Religion ist radikal modern. Und in seinen Texten vermischen sich bis in die einzelnen Sätze hinein althergebrachte und nie geschaute Bilder, gehobene Diktion und wüster Slang.

„The Wrestling School“ wurde 1988 von Schauspielern des Royal Court Theatre und der Royal Shakespeare Company gegründet. Die Truppe widmet sich ausschließlich den Werken von Howard Barker. In Berlin zeigen sie das 1985 uraufgeführte Stück „The Castle“ sowie „Hated Nightfall“, das zum erstenmal in Deutschland gespielt wird. „The Castle“ erzählt die Geschichte eines heimkehrenden Kreuzfahrers. Auf seinem verwilderten Land haben Frauen ein herrschaftsfreies Reich geschaffen, mit den Männern kehren Gefühlsverwirrungen, Mord und Krieg zurück. „Hated Nightfall“ schildert die letzten Stunden im Leben der Zarenfamilie Romanow. Der Hauslehrer der Kinder ist für den reibungslosen Ablauf der Exekution verantwortlich, wird aber immer wieder dabei gestört. Bei diesem Stück führt Howard Barker zum erstenmal selbst Regie.

Das dritte englischsprachige Gastspiel im Hebbel Theater dreht sich um einen Unternehmer, der in seiner Fabrik – so die Ankündigung – „durch künstlerische Gestaltung der Produkte und Humanisierung des Produktionsprozesses Zweckmäßigkeit und Spiritualität verbinden“ will, eine Gruppe von Weisen klärt ihn über Natur und Kosmos, vergangene und zukünftige Inkarnationen auf. Die Handlung stammt von Rudolf Steiner und dauert sieben Stunden. „The Soul's Awakening“ von 1913, das letzte der vier Mysteriendramen Steiners, wird von der Gruppe „Portal Productions“ aufgeführt. Die vierzig Künstler kommen direkt aus dem Zentrum der Anthroposophie, dem Goetheanum im schweizerischen Dornach. Das „Drama von Reinkarnation und Karma“ präsentiert sich als Gesamtkunstwerk aus Klang, Farbe, Wort und natürlich viel Eurythmie. Miriam Hoffmeyer

„Hated Nightfall“: heute bis 21.1, „The Castle“: 24.–26.1., je 20 Uhr, „The Soul's Awakening“: 28./29.1, 15 Uhr, Hebbel Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg.

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