Sanssouci: Vorschlag
■ "Der kleine schwarze Fisch" im Diyalog-Theater * Objekte auf ihren Schatten - Skulpturen von Xavier Krilyk
„Immer gehst du ins Theater!“ Mein Sohn nölt, denn schließlich finden die meisten Vorstellungen abends statt, und da veranstaltet er sein eigenes Kasperletheater – auf dem Weg ins Bett. Aber ausnahmsweise darf er diesmal mit, in die Premiere vom „Kleinen schwarzen Fisch“, die bereits im Dezember war. Seither prangt das Plakat zum jüngsten Stück des deutsch-türkischen Kulturvereins Diyalog über seinem Bett. Zu sehen ist darauf nicht etwa der besagte kleine Fisch, sondern in schönsten Farben der große Pelikan, in dessen Fänge er beinahe geraten wäre ... – wenn es nicht einen teuflisch guten Trick gäbe. Der Pelikan besitzt nämlich eine gut gewässerte Vorratskammer, eine Art Kinn- oder Halsbeutel, in den er mit seinem langen Schnabel all die kleinen bunten und schwarzen Fische hineinexpediert, die dort untertänigst darauf warten, verspeist zu werden. Aber dieser Beutel ist auch ein sehr empfindliches Körperteil des Pelikans – mehr soll hier nicht verraten werden. Der kleine schwarze Fisch übersteht sein Abenteuer jedenfalls lachend und unbeschädigt.
Die ängstliche Mutter hatte den auf eigene Abenteuer erpichten, neugierigen Fisch ja gewarnt. Aber der äfft sie und die besserwisserische Nachbarin bloß nach und dreht ihnen eine lange Nase (die Stelle hat meinem Sohn übrigens am besten gefallen, aber da muß ich mir wohl an die eigene Nase fassen). Er macht sich aus seinem Bach auf, um bis ins freie Meer zu schwimmen. Unterwegs trifft er alle möglichen Wassertiere, zum Beispiel zwei eitle Kaulquappen oder einen Krebs (im Orange der Müllmänner), der mit Riesenpranken nach ihm zu grabschen versucht.
Ein Schauspieler und zwei Schauspielerinnen teilen sich die Rollen und schlüpfen auch abwechselnd in das schlichte Kostüm des schwarzen Fisches. Dabei springen sie außerdem zwischen den Sprachen hin und her, sprechen mal deutsch, mal türkisch, ohne penetrant die Worte des anderen zu übersetzen. Das Hin und Her klappt ganz gut, auch die ausschließlich deutsch oder türkisch sprechenden Kinder und Eltern können dem Gang der Handlung und dem raschen Rollenwechsel der Schauspieler, die mit wenigen Requisiten auskommen, gut folgen (geeignet für Kinder ab fünf Jahren). Das Märchen „Der kleine schwarze Fisch“ stammt übrigens aus der Feder Samad Behrangis, der 1968 spurlos verschwand und vermutlich von Anhängern des Schahregimes ermordet wurde. Sabine Seifert
Am 31.1., 10.30 Uhr und 7.2., 10.30 / 14 Uhr, Oranienstraße 34
NachschlagObjekte auf ihren Schatten – Skulpturen von Xavier Krilyk
Installation von Xavier Krilyk Foto: Institut
Mit seiner Skulpturenreihe schickt der in Berlin lebende französische Bildhauer Xavier Krilyk BesucherInnen auf eine äußerst farbenfrohe Reise in die Welt der Schatten. Was ist damit gemeint? Krilyks Interesse gilt Licht und Schatten als konstitutiven Momenten eines jeden Gegenstands. Alle ausgestellten Skulpturen sind Ausdruck seines Versuchs, deren komplexes Zusammenspiel zu fixieren. Dies gelingt, indem die Immaterialität von Licht und Schatten im Raum als feste, konkrete Form vergegenständlicht wird. Für das Objekt – Stuhl, Hocker oder Boot – und sein eigentlich unberührbares Korrelat werden dabei jeweils verschiedene Materialien verwandt, wie Gras und Lehm, Glas und Schwamm, abgeschliffenes und zersplittertes Holz. Ein Grashocker hockt auf seinem langen, verdrehten Lehmschatten, das im Aquarium gestrandete Holzboot wirft einen Schatten aus Schwamm. Zwischen den einzelnen Elementen und Stofflichkeiten entspannen sich in jeder Skulptur subtile Wechselbeziehungen nach Art eines Satzes, so Krilyk, aus miteinander in Beziehung gesetzten Wörtern, dessen Eigenart es wäre, seinen Sinn nie ganz zu enthüllen.
Daß hier aber keine symbolische Verbannung in die Unterwelt stattfinden soll, sondern eine Reise – und von einer solchen erhofft man ja, verändert zurückzukommen, warum bräche man sonst auf –, das scheinen die vielen Boote nahelegen zu wollen, denen man hier in den verschiedensten Formen begegnet. Die großen zweidimensionalen Flächen an den Wänden, die in geometrischen Ornamenten aus Tesakrepp auf Papier labyrinthische Räumlichkeiten suggerieren, scheinen den Besucher aber mahnen zu wollen, daß bei Reisen, und erst recht bei einer in die Schattenwelt, immer die Gefahr des Verirrens droht. Sollte dieser Fall doch schon in den nicht sehr weitläufigen Ausstellungsräumen eingetreten sein, dann sollte man in seinem Heimweh nach Berliner Realitäten vor allem eines auf gar keinen Fall tun: Die Installation „Tür, leicht geöffnet“, aus deren Türspalt ein hoffnungspendendes, warmgelbleuchtendes Licht zu strömen scheint, mit dem Ausgang verwechseln. Regine Strätling
Xavier Krilyk: „Objekte auf ihren Schatten“, bis 3.2., Mo-Fr 10-19 Uhr, Institut Français, Unter den Linden 37
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