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SanssouciNachschlag

■ Oder sogar: Fehlschlag! – Georgette Dee in der Volksbühne

Mein Gott ist das lange her, daß Georgette Dee und ihr Herr Truck zum ersten Mal auf der großen Bühne des Schiller Theaters Maß nahmen. Schwer beeindruckt von der unendlichen Tiefe des Raums ruderten sie zwei waghalsige Stunden lang um theatrale Anerkennung – und beschlossen am Ende eines großartigen Abends, nun für immer hier einzuziehen. Drei Jahre ist das jetzt her, das Schiller Theater ist längst anderweitig vermietet, und Georgette Dee hat sich endgültig in den Feuilleton- Olymp emporgesungen. Und so ist da von Aufregung nichts mehr zu spüren, als sich in der Volksbühne der Vorhang hebt. Einen theatralischen Chanson-Abend will sie uns geben – „für immer“, wie der Programmzettel annonciert, wenn er damit auch nur ein mehrtägiges Gastspiel meint. Parkett und Rang sind wieder bis auf den letzten Platz besetzt. Nun aber mit einem ganz anderen Publikum: Kaum ein schnauzbärtiger Budapester hat den Weg zum Rosa-Luxemburg-Platz gefunden, dafür viel Volksbühnenvolk. Wo sich die Edelschwulen wohl heute abend amüsieren? Hier jedenfalls nicht. Frau Dee hat sich diesmal ganz professionell für das Bühnenbild selbst verantwortlich gefühlt: auf zwei riesigen Holzkisten breitet sie sich mit gekonnt lasziven Gesten aus und trägt ihre Lieder vor. Und der Herr Truck spielt seine Melodien, und die Dee schwadroniert. Und der Herr Truck hört ihr zu. Und wir auch.

Aber das Zuhören will so recht nicht in Fahrt kommen. Zu glatt, zu inszeniert wabern all diese Marotten zu uns herunter: das Saufen und Haareraufen, das Singen und Hüftschwingen – alles große Bühne und darum so unerwartet leblos. Ja, diese Dee hat es endlich geschafft. Hat sich emporgesungen aus den schwulen Spelunken, befreit von der Subkultur, und wenn sie das Volksbühnenvölkchen jetzt auch begeistert hochleben läßt, so ist sie doch, scheint's, unendlich tief gefallen. Vorbei die Zeit der unglaublich zickigen Sprechtiraden, der improvisierten Theatralik. Hier ist jetzt alles sorgsam inszeniert. Für die „Zwischen-Texte“ und Inspirationen dankt die Diseuse im Programmheft tatsächlich auch Hans Henny Jahnn und Heiner Müller! Das hat es noch nie gegeben. Die Dee macht jetzt vor großem Haus ganz großes Theater und geht in der Menge doch baden. Vielleicht sollte sie doch noch einmal ins SchwuZ kommen, natürlich nicht „für immer“, aber für einen lehrreichen Abend, an dem man seinem überschaubar kleinen Publikum wieder in die Augen blicken kann. Damit die Zickigkeit und der Frust wieder echt sind und die Lieder wieder schön. Aber damit ist es wohl vorbei. „Kriegt die Unschuld erst mal Risse“, singt die neue, große Dee, „fängt das Leben an zu blühn“. Auf der Bühne sah man an diesem Abend allerdings nur ein kleines, lebloses Seidenröschen. Klaudia Brunst

Georgette Dee und Terry Truck: „Für immer“, wieder heute und 13. 3., 20.30 Uhr, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte.

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