piwik no script img

SanssouciNachschlag

■ Das „Theater unter den Leichen“ spielt Duras/Brecht im Acud

Foto: David Baltzer/Sequenz

Dieser Theaterabend im Acud war der dilettantischste, der mir in dieser Spielzeit zugemutet wurde, und ich habe viele Stunden in Theatern durchlitten. „Theater unter Leichen“ nennt sich die Truppe, und der Name ist so wichtigtuerisch wie alles, was sie bietet. Verquast der Titel: „Ende eines Morgengrauens rendez- vous jamais“. Peinlich das Selbstgedichtete von Regisseur und Autor Stefan Wieszner im Programmheft: „Wenn einer eine Reise macht, und sei es nur im wiehernden Zucken des Rangierbahnhofs weiblichen Geschlechts, dann kann er was erzählen.“ Purer Unfug auch sein Stück, das die Szene „Jüdische Frau“ aus Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ in „Die Krankheit Tod“ einmontiert: Marguerite Duras' sensibles, abstraktes und rätselhaftes Spiel zwischen Mann und Frau wird so zerstört. Die Frau, die sich einem zur Liebe unfähigen fremden Mann mehrere Nächte hingibt, macht Wieszner zur Jüdin, die sich Geld für ihre Flucht aus Deutschland durch Prostitution verdienen will. Das will politisch, psychologisch, geschlechtlich und was nicht alles sein – ist aber nur abstrus; jedoch eine Uraufführung.

Schlimmer noch als das Stück ist die Inszenierung von Wieszner. In einem winzigen Zimmer (Bett, Garderobe, Spiegeltisch) läßt er seine nichtssagende Montage von zwei Laiendarstellern vielsagend raunen; im Hintergrund gibt's allerlei Geräuschkokolores. Harald Polzin schleicht im schwarzen Anzug mit bläßlichem Gesicht durch den Raum, ballt ungelenk die Fäuste und schielt höchst wahnsinnig, als wollte er sich für die Rolle des Dritten Richard qualifizieren. Mithra Zahedi verschmiert roten Lippenstift im Gesicht, verbrennt ein Foto, schaut tiefsinnig und seufzend aus dem Fenster und steht mit aufgelöstem schwarzem Haar und verdrehten Augen wie Medea da, die gerade ihre Kinder erdolcht hat. Und einmal verschwindet sie hinter einem Paravent zum Schattenspiel: Geheimnisvoll wedelt sie dann mit den Armen, um wohl eine unsichtbare Riesenschlange zu beschwören. Es ist wirklich unter aller Kritik, und es gibt auch keine mildernden Umstände: Stefan Wieszner und seine Freunde sollten sich die Flausen von der Theaterkarriere so schnell wie möglich aus dem Kopf schlagen. Dirk Nümann

Aufführungen von 23.–28.3., 20 Uhr, Acud, Veteranenstraße 21

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen