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SanssouciVorschlag

■ Alternative zu Sombart: Salon Europa in der Strelitzer 61

Am 1. Oktober vergangenen Jahres fand in der ehemaligen Möbelfabrik, die sich in den Quergebäuden der Veteranenstraße 13 (Mitte) befindet, der „Kongreß für Sicherheit und Freizeit“ statt. Die unter dem Namen „Berlin Invest“ angetretenen Veranstalter hatten für alles gesorgt: „Funny Food“ lieferte Speisen und Getränke, Michael Fieling, wie üblich mit seiner Band (also: mit Nüssen an Bord) und eine Hardcore-Jazzcombo musizierten, selbst „Bonus“, der firmeneigene Sicherheitsdienst, war mit von der Partie.

Nach einer ersten Besichtigung der großzügigen Räumlichkeiten durch Aktivisten, Anwohner und Unterstützer wurde deutlich, daß die bis zu diesem Zeitpunkt leerstehenden Räume sinnvoll genutzt werden könnten und sollten. Einzig Eigentümer Kajat, der den per Fax abgeschlossenen Nutzungsvertrag noch nie gesehen haben wollte, war anderer Meinung und erklärte den Kongreß kurzerhand für beendet. Glücklicherweise haben sich inzwischen für einen Teil der Berliner Investoren andere Möglichkeiten eröffnet. Sie residieren jetzt im zweiten Hinterhof der Strelitzer Straße 61 und veranstalten seit Februar in dreiwöchigem Abstand montags den „Salon Europa“.

Von einem oder zwei Infotainern werden die Neuigkeiten der letzten Wochen vorgetragen und Plauderkarten verteilt, die als Grundlage der weiteren Diskussion dienen. Außerdem wird der „Mehr Mut“-Wanderpokal für besonders anregende oder anstrengende Aktionen (wie zum Beispiel die gelungene Flucht eines Schwarzfahrers) verliehen. Vorträge des Kratzplatten-DJs Dr. Herzel über „Europa und eure Opas“ wechseln ab mit Präsentationen selbstproduzierter Abenteuerhörspiele aus dem Südharz, deren ominöse Herkunft allerdings spannender ist als ihr Inhalt. Highlight sind die Special guests: Künstlergruppen wie die „Neue Anständigkeit“ oder Medienmacher von morgen diskutieren mit dem Publikum über ihre Projekte.

In der Atmosphäre eines bunten Abends stoßen Sinn und Unsinn aufeinander, wenn Adorno-Imitator und Philosophiestudent Nicolai, der auch den letzten Salon (Thema: Zukunft) moderierte, auf die Techno-Fraktion der Auseinander-Redaktion stößt und die korrekte Verwendung des Begriffs „nomadische Kriegsmaschine“ problematisiert, bleibt kein Auge trocken. Eine preisgünstige Alternative für alle, die schon immer wissen wollten, ob die Zukunft dem Salon gehört, aber noch nicht auf Nicolaus Sombarts Gästeliste stehen! Gunnar Lützow

Salon Europa, 21 Uhr, Thema: Stadt, Eintritt: eine Mark, Strelitzer Straße 61 (Mitte), zweiter Hof, vierter Stock.

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