Sanssouci: Vorschlag
■ Soap als Kammerspiel: Beth Bs „Two small bodies“ im fsk-Kino
Eine Frau, der ihre zwei kleinen Kinder abhanden kommen, kann nur eine Hure sein. Das ist für den gewöhnlichen amerikanischen Macho eine feststehende Wahrheit. Daß auch Lieutenant Brann (Fred Ward) zu dieser Gruppe gehört, kann als Berufskrankheit gelten. Lt. Brann hat es also mit einer jungen Mutter zu tun, die in einem Striplokal bedient, in Scheidung lebt, wechselnde Liebhaber hat und ihre Kinder als vermißt melden muß, verschwunden aus dem verschlossenen Kinderzimmer. Noch irgendwelche Fragen? Eigentlich nicht. Wenn Brann dennoch unaufhörlich fragt, gehört das zum alten Prinzip der sadistischen Tortur, die irgendwann die erwünschte Wahrheit bringen soll. Für Brann ist alles klar. Mrs. Mallone (Suzy Amis) ist eine Hure, und weil sie eine Hure ist, ist sie auch eine Kindermörderin. Lt. Brann inszeniert das Verhör als eine einzige obszöne und gewalttätige Anmache. Er will Mrs. Mallone mit seinen miesen sexuellen Phantasien demütigen. Aber weil es einfacher ist, als Brann glaubt, einen dummen Macho wie ihn zu verladen, kitzelt Mrs. Mallone noch ein paar Phantasien aus ihm heraus. Zumal ihre verständliche Angst vor diesem unberechenbaren Voyeur und Lauscher ihre zweideutige, mal passive, mal aggressive Reaktion zu legitimieren scheint.
Ihre Konfrontation endet aber nur in einer zunehmend ermüdenden verbalen und gestischen Kraftmeierei. Man muß auch keine Freundin von Ehe, Familie und Kindern sein, um es irgendwann dann doch einigermaßen unangemessen zu finden, daß vermißte und – wie man später erfährt – ermordete Kinder den Anlaß zu einem zähen Verbal-Porno geben, der Geschlechterkampf und -tanz bemüht. Ja, Frauen bringen ihre Kinder um – weniger oft als die Väter, sagt die Statistik. Ja, Kinder sind Frauen manchmal lästig und stehen ihnen im Weg. Das sagt auch Mrs. Mallone. Bringt sie deshalb ihre Kinder um? Wie war das noch mal mit dem Fall Monika Weimar?
Aber das alles interessiert beim Sehen dieses Films nicht. Man fragt sich einfach mit zunehmender Dringlichkeit: Who the hell ist Neal Bell, der Schwachkopf von Autor, der sich diesen Quatsch hat einfallen lassen? Und warum nur wollte die renommierte Video-Künstlerin Beth B ausgerechnet diesen Stoff verfilmen? Daß die beiden Schauspieler hervorragend sind, rettet das Unternehmen nicht, das die Soap opera als sophisticated Kammerspiel zu maskieren versucht. Vielleicht empfiehlt gerade das Beth B, die Schauspieler und letztlich auch den Autor des Films, der im Rahmen des Kleinen Fernsehspiels produziert wurde und letztes Jahr im ZDF lief, doch für Hollywood. Brigitte Werneburg
„Two small bodies“ von Beth B (Deutschland 1993, 85 Minuten), bis 31.5., täglich 21 Uhr im fsk am Oranienplatz, Kino B, Segitzdamm 2, Kreuzberg
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