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SanssouciVorschlag

■ Der Schoko-Laden in der Ackerstraße feiert sein fünfjähriges Bestehen. Wie es weitergeht, ist ungewiß

Der über die Grenzen der Berliner Szene hinaus bekannte Schoko-Laden feiert heute abend seinen fünften Geburtstag. Allerdings sollten nicht nur das betont maritime Programm und die nach wie vor moderaten Getränkepreise Grund sein, ab 21 Uhr in der Ackerstraße 169/170 vorbeizuschauen. Das 1881 von der Steinmetzfamilie Zeidler erbaute Haus, in dessen Hinterhof von 1911 bis 1971 mit einigen Unterbrechungen Schokolade produziert wurde, fand im Besetzersommer 1990 seine neuen NutzerInnen. Nach anfänglicher Skepsis in der Häuserkampfszene wurde das Kulturprojekt bald ein wichtiger Bestandteil des alternativen Ostberliner Kulturlebens. Seitdem finden dort Lesungen, Performances, Aufführungen von freien Theatergruppen und Konzerte mit „korrekten“ Eintrittspreisen (5 oder 8 Mark) statt. Außerdem hat die Redaktion des Scheinschlags im Erdgeschoß ihren Ort gefunden. Seit vier Jahren macht sie hier konkurrenzlos engagierten Journalismus von unten für die östlichen Innenstadtbezirke und bringt alle zwei Wochen 20.000 Exemplare unter die Leute.

Als auf dem Höhepunkt der Spekulationswelle zum Jahreswechsel 1992/93 die Erbengemeinschaft Stullgy das Objekt für geschätzte 2,2 Millionen Mark an den als „Fliesen-Friedrich“ bekannten Investor Markus Friedrich aus Trier verkaufte, sah die Zukunft düster aus. Friedrich, der in Potsdam ein Fliesencenter betreibt, wollte luxussanieren. Zuerst kündigte er der Comic- Bibliothek „Bei Renate“, die in die Tucholskystraße umziehen mußte, dann den Mietern. Am 14. 5. 94 liefen die Wohnmietverträge aus, mehrere hundert Stammgäste demonstrierten um Mitternacht ihre Solidarität mit dem Projekt.

Inzwischen zahlen die vierzig BewohnerInnen und NutzerInnen zwar ihre Miete, nur einer von ihnen hat jedoch einen Vertrag. Auf dem Programm der Jubiläumsfeier steht neben Underground-Kurzfilmen und vielen Überraschungen jene Sorte Musik, die nach den Chart-Erfolgen von Offspring und Green Day wieder schwer im Kommen ist: Punk in allen Variationen. „Hans am Felsen“ und „Shunk“, die beiden Hausbands, bieten Punkrock mit Violine und klassischem Hardcore, „Auge mit Hering“ machen Fischpunk, und für all jene, denen das zu laut oder zu schnell ist, gibt es Seemannslieder an der Hafenbar vor der Haustür. Gunnar Lützow

Fünf Jahre Schoko-Laden. Heute, 21 Uhr, Ackerstr. 169/170, Mitte.

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