Sanssouci: Nachschlag
■ Saubere weiße Jungs bei „More Black Pearls“ im Kato
„Sieht verdammt nach Montag aus“, beschwert sich Performer und Poet Rik Maverik gleich zu Anfang des Abends, da gerade acht Leute den Weg ins Kato gefunden haben. Anläßlich des zehnjährigen Bestehens der „Berlin playactors“ werden dort noch bis Sonntag „More Black Pearls“ gezeigt. Mit dem täglich wechselnden Programm aus spoken poetry, Musik, Performance und comedy will sich die Berliner englischsprachige Community selbst darstellen. Das Motto dieses Abends lautet „Dirty White Boys“, doch der „bloody monday“ läßt weder von Schmutzigkeit noch von den weißen Jungs viel übrig.
Allzuviel Zeit verstreicht, bis Maverik endlich zu rezitieren beginnt. Gleich nach dem ersten Text erfahren wir, daß Ko-Performer Todd Ford krank darnieder liegt. Schade, denn eine postergroße Hochglanzfotografie am Eingang zeigt den halbverhüllten Ford in Diven-Pose vor dem halbverhüllten Reichstag. Und das ist fast noch schöner als die fummelverhüllten Wüstenköniginnen auf den Dünen in „Priscilla, Queen of the Desert“.
Da Maverik der Partner fehlt, improvisiert er sich kurzerhand eine passive Protagonistin herbei: Ein sechsjähriges Mädchen aus dem Publikum wird, obwohl mit dem Schlaf kämpfend, Gegenstand des Maverikschen Redeflusses. Das Programm, dessen Titel nichts Jugendfreies verheißt, wird um alle four-letter-words erleichtert, die Schere im Kopf klappert unablässig, und ein verbaler schwarzer Strich legt sich über jede kleine Anzüglichkeit, bis Mutter und Tochter nach zwei Dritteln verschwinden. Vorher aber zeigen sich die Gäste, Gitarrist und Sänger Patrick Lanagan und Adrian Mattiske, noch sichtbar irritiert ob soviel jugendlicher Unschuld. Nach einer Hymne auf „dicks“ und „pricks“ und „testicles“ verlassen sie die Bühne.
Maverik, der in seinen besten Momenten die Wörter so rasend verdoppelt und aus der Variation eines Satzes so viel zaubert, daß hinter jeder Bedeutung noch eine andere zu liegen scheint, flüchtet sich in Banal-Philosophisches: „Ich denke, also bin ich scharf“. Dazu schieben sich auf den Bildschirmen am Bühnenrand Schwänze muskelstrotzender Jünglinge in Münder anderer muskelstrotzender Jünglinge. Von den acht Zuschauern sind noch zwei da, als es schließlich heißt: „I guess, nobody likes dirty white boys“. Genau. Und Montage mag auch niemand. Cristina Nord
„More Black Pearls“. Bis So tägl. 21 Uhr, Kato, U-Bahnhof Schlesisches Tor. Heute: „European Butoh" mit Jon Flynn und Bridge Markland. Anschließend Performance von Chrille Fritz und Tima der Göttlichen.
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