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SanssouciVorschlag

■ Tocotronic und Guided by Voices open air auf der Insel

Die drei aufgeweckten Jungs von Tocotronic aus Hamburg sind eine lange Zeit nicht dazu gekommen, früh schlafen zu gehen. Sie sind inzwischen Kultband derer, die mit Anfang 20 auf die Idee kommen, „Teil einer Jugendbewegung“ werden zu wollen. Ihre Madeleine heißt Stracciatella-Eis, und so mußten sie nach dem Erfolg ihres Debütalbums „Digital ist Besser“ landauf, landab Konzerte geben. Leicht größenwahnsinnig wie sie sind, haben sie mit „Nach der verlorenen Zeit“ eine 10-Track-EP nachgeschoben, die musikalisch wenig Neues bietet, aber weiterhin nachhaltig versucht, den eigenen Standort einzukreisen.

Der Opener „Ich muß reden, auch wenn ich schweigen muß“ zeigt, in welcher Malaise sie stecken: Als Kids der Mittelstands- Postmoderne jeglicher authentischen Erfahrung beraubt, stehen sie mit dem Rücken zur Wand. Ihr distanziert-kultiviertes Slackertum, das sich gegen Ende der Achtziger als Speerspitze der vermeintlich dissidenten Jugendkultur inszenieren konnte, läuft in Ironie aus.

Was bleibt, sind Erinnerungen an die Zeit, in der ihr Leben noch von Michael Endes endlosen Geschichten und nicht vom Bafög-Amt vernichtet wurde. Reverenzen ans eigene Umfeld („Neu in der Hamburger Schule“) treffen auf grandios-traurige Love-Songs („Du bist ganz schön bedient“ und „Gott sei Dank haben wir beide uns gehabt“) und lassen tief in die Weizenbiergläser blicken. Wie schon GenX-Experte Douglas Coupland in „Life after God“ sagt: „Wir führten ein paradiesisches Leben, und somit war jegliche Diskussion über transzendentale Ideen hinfällig ... statt dessen hatten wir uns eine Ironie zugelegt, die alles versengte.“

Guided By Voices aus dem Heimatland der Garagenmusik wären vor 15 Jahren als „Underground“ klassifiziert worden, heißen heute aber in Tocotronics Sprachgebrauch schon wieder „Lo-Fi-Spießer“. Seit 1985 arbeiten sie von ihrer Basis Dayton, Ohio, aus an ihren Minimalsongs, von denen 28 (!) Stück auf „Alien Lanes“, dem elften und gerade mal 41minütigen Longplayer aus dem Hause City Slang, versammelt sind. Der 38jährige Bandleader und Ex-Grundschullehrer Robert Pollard und seine vier Kollegen haben zwar die Altersgrenze für juvenile Delinquenz weit überschritten und klingen nicht unbedingt, als würden sie absichtlich schlecht spielen, erzählen aber schöne Kurzgeschichten in Gedichtform. Ein melancholischer, manchmal surreal-düsterer Ton, der an „Evol“ und „Bad Moon Rising“ von Sonic Youth erinnert, ist ihnen eigen und läßt für mehr als einen Moment vergessen, daß ihr Geschrammel schnell langweilig werden kann. Das Vorprogramm der Rock-Show bestreiten Chavez, die neue Band des ehemaligen Bullet-Lavolta-Bassisten, Pyrogenesis und die Candidates. Gunnar Lützow

Tocotronic, Guided by Voices und andere, heute ab 17 Uhr auf der Insel der Jugend, Alt-Treptow 6

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