piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Die Anfänge der Riot Girrrls: Babes in Toyland im Loft

Was sich da im Vorprogramm von Sonic Youth tummelte, stahl den New Yorker Underground-Päpsten fast die Schau. Wo Vorgruppen meist nur als überflüssige Verzögerung des eigentlichen Ereignisses betrachtet werden, löste ein Trio aus Minneapolis eine kleine Hysterie in mittelgroßen Konzertsäalen aus. Es war Sommer 1990, und die Babes in Toyland gingen mit einem spürbar neuen Selbstbewußtsein an die Dinge heran. Ab jetzt waren nicht mehr ideologische Gründe ausschlaggebend dafür, daß man innerhalb des Gruppenzusammenhangs geschlechtsmäßig lieber unter sich blieb. Es war einfach praktischer. „Es ist wesentlich angenehmer, mit Frauen zusammen auf Tour zu gehen, allein der gemeinsamen Interessen wie Shopping, Schuhe, Strumpfhosen und Schmuck wegen“, verrieten die Babes augenzwinkernd. Oder auch, daß böse dreinblickende Metal-Freaks in den richtigen Händen zum Spielzeug im Toyland werden: „Die besten, zartesten, interessantesten Jungs als Nachtisch kann man sich auf den Konzerten von Napalm Death oder Carcass abholen.“ Schon bald hieß dieses neue Selbstbewußtsein Riot Girrrls.

Die Zeiten ändern sich, Marmor, Stein und Eisen bricht, doch die Babes, die bleiben bestehen. Ihre rümpelnde Beharrlichkeit hat sie zwar wohl auf ewig in die kleinen Clubs verbannt, aber schließlich ging es die ganze Zeit eigentlich ja auch nur darum, Musik zu machen. Und die hat zwar viel mit recht austauschbaren Überresten von Metal und Punk zu tun, aber trotzdem ist kaum eine Band unverwechselbar. Wenn die Babes in Toyland loslegen, macht es klick im Kopf, das müssen die Babes sein. Immer noch versucht sich das Trio an überlebensgroßen Popharmonien, ohne zu wissen, daß man sich ab und zu mal die Finger waschen sollte, wenn man an der Schokolade nascht. Exemplarisch vorgeführt bei Coverversionen des aktuellen Albums „Nemesisters“, wo sie den alten Sister-Sledge-Gassenhauer „We are Family“ und Eric Carmens unsäglich schmalzige Ballade „All By Myself“ durch ihren persönlichen Fleischwolf drehen. Das hoppelt und rümpelt und schliert, daß es eine wahre Pracht ist, und außerdem solche Riefen in den Ohrmuscheln hinterläßt, daß man Kleiderhaken mit schweren Lederjacken darin aufhängen kann. Die Babes in Toyland wußten schon immer, wie man eine Harley fahren muß, daß am Schluß nur mehr ein verlorener Haufen Schrauben und Federn übrigbleibt. Thomas Winkler

Böse Babes lächeln Dich an Foto: Bill Phelps

Am 12. 9. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen