Sanssouci: Vorschlag
■ Ausgefallene Schulkurse: Silverchair im Loft
Was vom Grunge übrig geblieben ist Foto: Veranstalter
Zu Hause in Australien ist ihr „Tomorrow“ die viertbestverkaufte Single aller Zeiten, und ihr Debütalbum „Frogstomp“ hat schon dreimal Platin bekommen. In den USA haben sie über eine Million davon verkauft. Die drei von Silverchair sind reiche Leute, nur daß das Geld sicher angelegt ist und die Jungens immer noch ihre Eltern um Taschengeld fragen müssen. Daniel Johns, Chris Joannou und Ben Gillies sind 16 Jahre alt, und wenn sie zum Beispiel triumphal durch die USA touren, sind die Väter dabei, um die Jungs vor den Groupies zu beschützen. Die ausgefallenen Schulkurse können sie mit musikalischen Leistungen gutmachen, weshalb auch ihr Direktor stolzer Besitzer eines „Frogstomp“-Exemplars ist.
Es hat nicht viel mehr gebraucht als ein schlichtes Demo-Tape und einen gewonnenen Nachwuchswettbewerb, um Silverchair aus dem Stand zum Bestseller werden zu lassen. Ohne Umschweife und mit fröhlichem Understatement geben sie zu Protokoll, daß Glück dabei die Hauptursache war. Sogar aus der Entstehungsgeschichte ihres Namens läßt sich die jugendliche Unbekümmertheit ablesen: Die erste Hälfte erwählten sie sich nach dem Titel einer Nirvana-Platte; nur hieß die leider „Sliver“. Der Verweis auf die Seattle-Band ist auch zu hören, genauso wie die Tatsache, daß Trommler Gillies den Led-Zeppelin-Film „The Song remains the same“ über 30mal gesehen hat.
So entsteht ein klassisch träger Rockstomp, wie einen heutzutage geradezu verfolgt – nur daß Silverchair ihre Einflüsse unglaublich dreist und unverkrampft ausstellen, weil sie wissen, daß sie noch den Teenie-Bonus haben. Und vor allem durch die Stimme von Daniel Johns, die ohne Mühe den kleinsten gemeinsamen Nenner aus Chris Cornell und Eddie Vedder findet, zeigt ihre Musik, was von Grunge nach seinem Ableben übrig geblieben ist. In dieser postpubertärpickligen Welt ist Fun immer noch das wichtigste, wenn nicht sogar das einzige Kriterium. Angefangen haben sie rührend klassisch in der Garage, in der sonst das Auto von Gillies Daddy steht – nicht zu fassen, daß das ausgehende Jahrtausend noch in der Lage ist, ein so altmodisches Rock'n'Roll-Märchen zu schreiben. Thomas Winkler
Mit Everclear, heute, 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg
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