piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Exploding White Mice im Huxley's: Reminiszenz in Röhrenjeans

Vor zehn Jahren versprachen uns Bands wie die Exploding White Mice, daß sie und wir mit ihnen die nächsten zehn Jahre garantiert nicht überleben würden. Verschwunden waren sie dann tatsächlich recht schnell, zumindest aus dem Bewußtsein. Und jetzt tauchen sie wieder auf, und plötzlich wird einem bewußt, daß man, ohne sich je Gedanken darüber gemacht zu haben, all die Jahre klammheimlich davon ausging, daß die Freunde aus Australien ihren Termin bei Gevatter Tod schon hinter sich hatten. Man selbst statt dessen fand es plötzlich romantisch, einer der wenigen Überlebenden zu sein. Und jetzt kommen die plötzlich wieder von diesem Beutelrattenkontinent daher und machen einem nicht nur klar, daß man ein ganzes Stück älter geworden ist, sondern führen auch noch vor, was man früher mal für Musik gehört hat. Man mußte Bier trinken damals, nur Bier und viel zuviel davon, um das verstehen zu können, und man arbeitete noch geduldig am Haarwuchs.

„Burning Red“ möge das Leben sein, versprach der erste Song auf der ersten EP des australischen Quintetts, und man nahm dankend an, auch wenn man genau wußte, daß diese Band tatsächlich auf einer Party gegründet worden war, allein zu dem Behufe, den Helden ihrer Jugend, also vor allem den Stooges und den Ramones, zu huldigen. „Dangerous“, der andere große Song der EP, war zugleich ihr erster kleiner Hit, und Menschen, die genug Bafög bekamen, um sich die teuren Australo-Importe leisten zu können, nuckelten an ihren Bierbüchsen und nickten im stumpfen Rhythmus zu den Zeilen „I look around, there ain't nothing nowhere. A whole lot of people walk around like they just don't care. I take a gun, I put it to my head“, als würde ihnen das Evangelium verlesen. Dabei war die Band weit davon entfernt, irgendwelche Lebensentwürfe zu propagieren, die über das bloße Festhalten an juvenilen Durchhalteparolen hinausgingen.

Heute interessiert es niemanden einen Dreck, was sie machen, die Lime Spiders und die Screaming Tribesmen, die Hoodoo Gurus oder selbst Radio Birdman, die Überväter der Australo- Hardrock-Szene. Und auch die Exploding White Mice sind nicht gealtert, sondern wollen einem immer noch weis machen, Rock 'n' Roll hätte irgendwas mit Jungsein zu tun, und Motorradlederjacken und Röhrenjeans wären der Gipfel der Bekleidungskultur. Zehn Jahre später hören sich ihre Platten zwar immer noch genauso an, aber alte Rocker sind nun mal alte Rocker, und jenes gewisse Feuer ist längst der Routine gewichen. Gefährlich ist das schon lange nicht mehr. Thomas Winkler

Mit den Richies, 23.3., 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108-114

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen