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SanssouciVorschlag

■ „Abel“, der erste Film von Alex van Wamerdam, im fsk-Kino

Eine Großstadt im holländischen Irgendwo; ein teures Appartement im höchsten Haus der Stadt. Weihnachtsessen. Zwischen weihnachtlichen Sprachlosigkeiten streitet sich ein junger Mann mit seinen Eltern am viel zu großen Tisch. Wütend beißt sich Victor, der Vater, auf den Schlips; lustig frohlockt der Sohn, und die Mutter, Dove, versucht zu vermitteln. Wie jedes Jahr.

In „Abel“ (1986), dem preisgekrönten Erstlingsfilm von Alex van Warmerdam („Noorderlingen“) geht es in intensiven Farben, langen Einstellungen und stilisierten Bildern um eine Art Peter-Pan-Geschichte. Abel, der 31jährige Held, weigert sich, erwachsen zu werden. Die Welt dort draußen hat er noch nie gesehen. Er begnügt sich damit, sie mit dem Fernglas zu beobachten. Immer wieder erzählt er auch begeistert traurige Geschichten von armen Menschen in Rußland, die frühmorgens in die Stahlfabrik müssen und erst nachts wieder zurückkommen. Ansonsten müht er sich – sozusagen leitmotivisch – mit einer Schere, herumschwirrende Fliegen entzweizuschneiden.

Während die Mutter Abel in seinem Nichtstun mehr oder weniger unterstützt, will der Vater einen realitätstüchtigen Sohn aus ihm machen. Ein dicker Psychiater wird geholt. Doch der meint, die Eltern seien das eigentliche Problem. Eine Schauspielerin wird eingeladen, um Abel zu verkuppeln, doch der Sohn zeigt sich renitent. Die mißglückte Verkupplungsszene ist eine der komischsten des Films: Peinigendes Schweigen und halbirre Slapstickaktionen der ganzen Familie gegen die irgendwann schreiend davonlaufende junge Gesundheitsfanatikerin lösen einander ab. Zwischendurch beginnt der midlife-crisis-geschüttelte Vater eine Affäre mit Sis, einer schönen jungen Frau; die in der Peep- Show „Nackte Mädchen“ arbeitet; die Mutter verbündet sich mit Abel und kauft ihm zu Gefallen und dem Vater zum Trotz einen Fernseher. Nach allerlei Tumulten kommt es zum Eklat. Statt des Fernsehers schmeißt der Vater den Sohn raus. Staunend rennt Abel durch die Gegend, wird von Sis aufgelesen, eine Liebesgeschichte beginnt, und am Ende gelingt es Abel endlich, eine Fliege in ihrem Flug mit der Schere zu zerschneiden.

Anders als die meisten deutschen Komödien, die sich in der Reihung komischer Szenen erschöpfen, ist „Abel“ ein ganzer Film. Spannend, mitreißend komisch, und vor allem spürt man, daß der Regisseur seine Helden mag. Detlef Kuhlbrodt

Bis 17. 4., 20 und 23.15 Uhr, Sa./So. auch 18 Uhr, fsk-Kino am Oranienplatz, Segitzdamm 2

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