Sanssouci: Vorschlag
■ Videos der Wooster Group im Künstlerhaus Bethanien
Das Marktgesetz der Aufmerksamkeitsweckung heißt bekanntlich: Bilder auf Teufel komm raus und bloß keine anstrengenden Texte. Das New Yorker Theaterkollektiv The Wooster Group mit ihrer Regisseurin Elizabeth LeCompte hat sich darauf ihren eigenen Reim gemacht. Die Sprachspur bleibt in ihren Arbeiten meist von vornherein unverständlich. Aber dafür ist die Musik eingängig-populär. Infotainment wird trotzdem nicht draus, sondern eine radikale Provokation. Die krude Bild-, Sprach-, Musik- und Medienmixtur ihrer Videos strapaziert Gehirn und Sinne. Aber sie stimuliert dabei eine ungeahnte Bereitschaft und unbekannte Fähigkeiten, mit den vielfachen Ebenenwechseln gleichzuziehen. Deshalb ist es ausgesprochen spannend, die Videotapes voll Sex, Gewalt, Lügen und Politik zu sehen, selbst wenn es ebenso anstrengend ist.
„Flaubert Dreams“ (1986), „White Homeland Command“ (1992) „Rhyme 'Em to Death“ (1994) und Gea Kalthegeners Videodokumentation „Free Fall“ über Ron Vawter, den legendären Schauspieler, der 1975 die Wooster Group mitgründete, bilden jetzt den Auftakt zu einer Reihe von fünf Videoveranstaltungen, die der Freundeskreis Künstlerhaus Bethanien initiiert hat. „Flaubert Dreams“ entstand im Rahmen des Theaterprojekts „Frank Dell's The Temptation of St. Antony“, mit dem die Gruppe 1994 auch im Theater am Halleschen Ufer gastierte, allerdings ohne den Hauptdarsteller Ron Vawter, der im April an den Folgen von Aids gestorben war.
Der Name „Frank Dell“, hinter dem sich der Entertainer Lenny Bruce verbirgt, legt eine Spur zum Verständnis des Medientheaters im ganz zweideutigen Sinn. Der populäre Trash, etwa Reality-TV, auf das „White Homeland Command“ Bezug nimmt, und vor allem die Shows der amerikanischen Stand-up- Comedians sind das wesentliche Material, das die Wooster Group in eiskalter Perfektion aufpoliert, mit klassischen Quellen montiert und politisiert. „Free Fall“, die Beobachtung Ron Vawters vor der Amsterdamer Premiere seiner Soloperformance „Roy Cohn/Jack Smith“, zeigt schließlich, was an ihm (pars pro toto für die Wooster Group) fasziniert: Er ist sexy, er ist brillant, auch angesichts von Aids, weil er einfach ehrlich agiert. Brigitte Werneburg
Videos der Wooster Group, mit einer Einführung von Renate Klett. So., 5.5., 17.30 Uhr und Mo., 6.5., 19 Uhr, Künstlerhaus Bethanien, Studio 1, Mariannenplatz 2, Kreuzberg
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