Sanssouci: Vorschlag
■ Unbedingt Ohrenstöpsel rausnehmen: The Bluetones im Loft
BritPop und kein Ende. Sattsam bekannt sind sie ja inzwischen, die großen Bands wie Oasis, Blur oder Pulp. Doch heiß darauf, so manchen Mythos zu zerstören, sitzt die nächste Generation in den Startlöchern. So auch die Bluetones aus dem Westen Londons, die, wie das auf den Inseln gleichsam üblich wie faszinierend ist, die typische Schnellkarriere machten: Mit nur zwei Singles waren sie schon in den Weeklies, „Slight Return“, die dritte Single, verhalf ihnen zum endgültigen Abmarsch Richtung Erfolg, und ihr darauffolgendes Album „Expecting To Fly“ stand dann einige Wochen an der Spitze der Charts. Dazu verholfen hat ihnen wohl unter anderem die Sehnsucht der Briten nach dem Blubber-Rave der – angeblich kürzlich aufgelösten – Stone Roses: Aufgrund der Stimme ihres Sängers Mark Morris klingen die Bluetones recht stark nach den Altravern aus Manchester.
Morris hat dieses dünne und seirige Etwas in seinem Organ, das auch Ian Brown auszeichnet, und zu allem Überfluß spielen die Bluetones ebenfalls diesen dezent aufgeblasenen, melodramatischen Pop-Song mit dem Hang zum gitarrösen Ausfransen. Ihre Stücke changieren meist unentschlossen zwischen Hymne mit angedeutetem Pathos und locker dahinschwingendem Pop, nisten sich jedoch nach kurzer Gewöhnungspause unverrückbar in den Herzen und Köpfen der Brit-Pop-GenießerInnen ein. Nichts neues also, doch Britpop-untypisch ist die Bescheidenheit der Bluetones: Leicht graumausig und griesgrämig mit dem Charme englischer Reihenhäuser, möchten sie mit Brit-Pop und seinem Hype nichts zu tun haben, verachten geile Medienkonstrukte wie den lad, den gutaussehenden, androgynen Jungburschen, der sich hauptsächlich in Bands wie der ihren herumtreibt, und nach Flitter, Glamour und Teenage-Dream steht ihnen natürlich genausowenig der Sinn.
Lieber brav zu Hause sitzen, Beatles hören und eigene Songs schreiben, heißt die Devise: „The music is the star, not us“, sagen sie selbst, „we're not icons, and we don't wanna be adored“, in Anspielung an einen Stone-Roses-Song. Das ist schade, denn ein bißchen gehören ein großes Maul, Großkopfertheit und Größenwahn ja mit zum Geschäft. Haben die Bluetones anscheinend nicht nötig, die zählen mehr auf ihr Können und ihr noch wachzuküssendes „Potential“. Wer da jetzt ein bißchen viel Normalität und Biederkeit herausliest: Einfach heute abend die Ohrenstöpsel rausnehmen. Oder zu Hause den Lautstärkeregler nach oben drehen, in diesen Songs leuchten die Sterne! Gerrit Bartels
Heute, 20.30 Uhr, mit The Early Hour im Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg
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