piwik no script img

Sanktionen gegen LibyenGeeint gegen Gaddafi

Libyen soll aus dem UN-Menschenrechtsrat suspendiert werden. Und die EU-Verteidigungsminister lassen wohl schon Notfallpläne zur Luftraum-Kontrolle ausarbeiten.

Sanktionen könnten das Land hart treffen: Gasaufbereitungsanlage der Firma Wintershall in Jakhira/Libyen. Bild: dpa

GENF taz | Auf einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung zur Lage in Libyen berieten am Freitag sowohl der Menschenrechtsrat der UNO in Genf und der Sicherheitsrat in New York, wie auch Nato-Botschafter in Brüssel und die Verteidigungsminister der EU-Staaten in Budapest. Es ging um Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime und um Maßnahmen zum Schutz der von Gewalt bedrohten libyschen BürgerInnen. Am Freitagabend empfahl der Menschenrechtsrat die Suspendierung Libyens aus dem Gremium.

Bei der Einberufung der Sondersitzung des UNO-Menschenrechtsrates demonstrierte das normalerweise tief zerstrittene Gremium zunächst eine bislang nie da gewesene Einigkeit. Der Initiativantrag der Europäischen Union für die Sitzung wurde außer von Libyen selbst von allen anderen 46 Ratsmitgliedern unterschrieben.

Doch hinter dieser Fassade der Einigkeit gab es erhebliche Auseinandersetzungen über den Text des von der EU vorgelegten Resolutionsentwurfs. Dieser fordert eine klare Verurteilung der Gewalttaten des Gaddafi-Regimes sowie die Entsendung einer unabhängigen internationalen Kommission nach Libyen. Sie soll alle Menschenrechtsverstöße untersuchen und dokumentieren und die dafür Verantwortlichen namentlich benennen. Diese Erhebungen könnten als Beweismaterial dienen, sollte der UNO-Sicherheitsrat den Internationalen Strafgerichtshof (ISTGH) zu Verfahren gegen die Verantwortlichen ermächtigen.

Besonders umstritten in dem Resolutionsentwurf war die von Großbritannien durchgesetzte und maßgeblich von den USA unterstützte Empfehlung an die UNO-Generalversammlung, die Mitgliedschaft Libyens im Menschenrechtsrat zu suspendieren. EU-intern hatten sich bereits Italien, Malta und Zypern gegen diesen Vorschlag ausgesprochen. Ablehnend äußerte sich gestern neben Kuba und einigen weiteren Ländern auch Ägypten , das bei der UNO in Genf weiterhin vom langjährigen Botschafter des gestürzten Mubarak-Regimes vertreten wird.

Die EU erwägt eine Reihe von Sanktionen gegen Libyen. Geprüft werden nach Angaben der Außenbeauftragten Catherine Ashton und anderer Diplomaten am Rande der Verteidigungsministertreffens in Budapest derzeit unter anderem Einreiseverbote für die Mitglieder von Gaddafis Regierung und seiner Familie sowie die Sperrung all ihrer Konten in EU-Staaten. Die Schweiz hatte die Kontensperrung bereits am Donnerstag vollzogen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte über die durch einzelne EU-Regierungen bereits erfolgte Suspendierung von Waffenlieferungen hinaus die Verhängung eines dauerhaften Waffenembargos gegen Libyen - nicht nur EU-weit, sondern auch global.

Auch US-Präsident Barak Obama hatte in der Nacht zum Freitag für Sanktionen gegen Libyen plädiert - allerdings ohne konkret zu werden. Zu Beratungen über die Verhängung eines globalen Waffenembargos und anderer weltweit gültiger Sanktionen trat am Freitagnachmittag New Yorker Ortszeit der UNO-Sicherheitsrat zusammen. Mit der Verabschiedung einer Resolution ist nach Angaben von Diplomaten allerdings nicht vor Montag zu rechnen. Nur der UNO-Sicherheitsrat könnte auch über die Einrichtung und notfalls militärische Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen entscheiden. Frankreichs Außenminister Alain Juppe hatte am Donnerstag die Einrichtung einer Flugverbotszone vorgeschlagen, um weitere Bombardierungen der Bevölkerung durch Gaddafi-treue Luftwaffenoffiziere sowie das Einfliegen von Söldnern aus anderen afrikanischen Ländern zu verhindern.

Die EU-Verteidigungsminister lassen nach Angaben eines Diplomaten in Budapest vorsorglich "Notfallpläne zur Kontrolle des libyschen Luftraums ausarbeiten". Entsprechende Vorarbeiten gibt es auch bei der Nato, deren Botschafter in Brüssel zu ihrer Libyensitzung zusammenkamen. Offiziell hieß es allerdings bei der EU wie bei der Nato, vor einem entsprechenden Beschluss des UNO-Sicherheitsrates werde man keine Entscheidung über den Einsatz militärischer Mittel treffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • F
    Frank

    Da haben Demokraten und Rechtsextreme ein und das Selbe Problem.

    Mit dem feinen Unterschied, dass das "Auslaender raus" so einfach im Moment nicht zu haben ist.

    Bisher war die demokratische Methode die Auslaender gar nicht erst rein zu lassen, und wenn dann nur zu Bedingungen die genau das, "Auslaender raus" sicherstellen. Diese Aussperrung wurde mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet und in die Tat umgesetzt. Juristisch, logistisch und mit der erforderlichen Gewalt (siehe Schengener Abkommen, Lissabon-, Maastrichter Vertrag).

    Allerdings bekaempfen Demokraten das Interesse von Auslaendern an eine Einreise nicht prinzipiell, sondern nur diejenigen welche als "unnuetztlich" beurteilt werden. Das betrifft in der Regel sogenannte Wirtschaftsfluechlinge; Arme, ungebildete Menschen aus den den Rohstofflieferantenstaaten dieses Planeten.

    Im Moment aber, Tunesien, Aegypten, Algerien, Lybien...,

    gibt es da hierzulande entworfene juristische und in den afrikanischen Staaten ordnungspolitische Probleme.

    Die abweisenden, juristischen Sortierungskriterien sind nicht "revolutionsfest". Das, der Sturz der finanziell gut gepflegten und militaerisch ausgestatteten Dikatoren, oeffnet die gesetzlichen und geografischen Grenzen der Zuwanderung nach Europa!

     

    Da ist es sicher hilfreich, in diesen Zeiten der Rechtsunsicherheit, etwas Truppenverlegungen in Erwaegung zu ziehen.. bis die "Leistungstraeger" dieser Welt die juristische Mauer entsprechend umformuliert haben. Bis zur Wiederherstellung der durch Polizei und Militaer zu errichtenden Mauer, im Auftrag der europaeischen Wirtschaftsriesen, will man die Aussengrenzen am Liebsten selbst dicht machen.

    Aussenminister Westerwelle, Deutschland:

    "Wir können und wir wollen nicht jeden Menschen aufnehmen. Wir engagieren uns dafür, dass die Menschen wieder sicher in ihren Ländern leben können."

    So kann man auch ausdruecken, dass einem die Toten in Aegypten lieber sind als Asylsuchende in Deutschland und/oder Europa (siehe entsprechende Paxis und Stellungnahmen der Amtskollegen in Italien, Vorwuerfe mangelnder Kontrolle der Zuwanderung durch die griechische Regierung usw. usw.).

     

    Politisch war ja alles, jahrzehnte, unter Kontrolle. Und jetzt sowas.. Die politisch hofierten, finanziell alimentierten und militaerisch ausgestatteten Diktaturen Afrikas werden gestuerzt! Soviel Freiheit ist ein Problem, insbesondere fuer europaeische Staatenlenker.

    Das Militaer hat in Agypten zB. zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle verloren (das MILITAER war und der Verhandlungspartner der europaeischen und amerikanischen Diplomatie). In Tunesien ist eine vergleichbare "stabile" Macht, die internationalen Vertraege und Vereinbarungen sind vom aegyptischen Militaer bestaetigt worden!, nicht verfuegbar. 1,5 Milliarden, seit 1979 jaehrlich allein aus den USA an Agypten, sind schon sehr viel Militaer..

    Da muss in anderen afrikanischen Staaten, nicht nur in Nordafrika, noch kraeftig nachgelegt werden.

    Und das ueberlegt man sich gerade. Der Marshallplan zb. soll die zur "Sicherung" der europaeischen Aussengrenzen berufenen Staaten mit den Mitteln Versorgen dieser Aufgabe auch in Zukunft nachzukommen.

     

    Ganz friedlich, wie immer. Herrlich.

  • GF
    Gerda Fürch

    Könnte nicht noch nachberichtet werden, warum sich die Vertreter von Italien, Malta, Zypern gegen eine Suspendierung aus dem Menschenrechtsrat ausgesprochen haben? Also mit welchen Bedenken? Oder welche Argumente es seitens Ägyptens, Kubas dagegen gibt? Oder warum die USA und GB für eine Suspendierung konkret sind?

     

    Die bisher genannten Schutzmaßnahmen und deren eventuelle Wirksamkeit für die lybische Bevölkerung sind auch nicht so klar.

     

    Die Lybier sind Araber. Also könnten doch vertrauenswürdige und engagierte Menschen aus der Bürgerrechtsbewegung der Lybier selbst und auch vertrauenswürdige und engagierte Demokraten daselbst aus den arabischen Nachbarstaaten wie Ägypten, Algerien, Marokko, Tunesien etc. in die Überlegungen über Maßnahmen einbezogen werden? Die kennen doch arabische Seelen und Sehnsüchte am besten, oder etwa nicht?

     

    Das eventuell vorhandene "Volksvermögen" der Lybier und Lybierinnen müßte erst einmal gerettet und irgendwie sichergestellt werden, in einer Art "Lybien-Fonds" auf einer neutralen arabischen Bank oder einer neutralen Schweizer Bank, damit dieses dann der Bevölkerung direkt zur Verfügung gestellt werden kann, für den demokratischen Wiederaufbau und für einen demokratischen Sozialfonds. Die Menschen wollen doch eine gute soziale Existenz und ganz sicher die ganz Jungen eine berufliche Perspektiven haben?

     

    Sanktionen der "autoritäten" Art treffen zuallererst die breite Masse der Bevölkerung und verursachen womöglich noch zusätzliches Blutvergießen, zusätzliches und andauernden Bürgerkrieg zwischen allen Interessengruppen der lybischen "Zivilgesellschaft".

     

    Ohne ein möglichst gerechtes Sozialsystem, Bildungssystem und möglichst ausgewogenes Wirtschaftssystem kommt kein freier demokratischer Staat aus!

  • T
    tystie

    Nicht vergessen!

     

    "Am 15. April 1986 bombardierten amerikanische Flugzeuge die libyschen Städte Tripolis und Bengasi, zerstörten ein Wohnhaus des libyschen Revolutionsführers Gaddafi und töteten mindestens dreißig Zivilisten, darunter viele Kinder. Gaddafi selbst, Hauptziel des Anschlags, blieb unverletzt. Zwei Stunden später rechtfertigte der damalige amerikanische Präsident Ronald Reagan diesen beispiellosen Angriff auf ein souveränes Land und seinen Staatschef in einer Fernsehansprache. Die USA, behauptete er, besäßen "direkte, präzise und unwiderlegbare Beweise", daß Libyen für den Anschlag auf die Diskothek "La Belle" verantwortlich sei, bei der drei Personen getötet und 200 verwundet worden waren." [http://www.wsws.org/de/1998/aug1998/bell-a28.shtml]

     

    Zu 'Flugverbotszonen' siehe Irakkrieg.

     

    Mal sehen, ob beim run auf die Ölquellen wieder eine Besetzung durch die US-Army und ggf. beliebige Vasallenarmeen erforderlich ist.

    Humanismus und NATO? Kotz!

  • 2
    2010sdafrika

    Wer sich mit dem Leben von Gaddafi beschäftigt hat, der weiß, dass dieser Mensch stets nach Herausforderungen suchte, die zwischen Banalität und Irrsinn anzutreffen sind. Dementsprechend würde es mich nicht wundern, so die Aussagen einiger arabischer Medien, dass der Revolutionsführer Gefallen an der jetzigen Situation findet, um seine Stärke und Willenskraft unter Beweis zu stellen. Ich hoffe, das libysche Volk wird wie in Tunesien zumindest bei der Abdankung des Staatsoberhauptes siegen wird:

    http://2010sdafrika.wordpress.com/2011/01/16/burgerkrieg-droht-in-tunesien-lybiens-blogger-mobilisieren-volk/.