Sanktionen gegen Iran im Gespräch: Mullahs testen neue Raketen
Während der Westen sich noch Gedanken über scharfe Sanktionen gegen den Iran und sein Atomprogramm macht, testet das Regime in Teheran neue Raketen.
WASHINGTON taz | Vier Tage vor dem geplanten Beginn der ersten direkten Gespräche seit 30 Jahren stehen die Zeichen zwischen den USA und dem Iran auf Sturm. Nach den jüngsten Ankündigungen, sein umstrittenes Atomprogramm ausweiten zu wollen, führte das Teheraner Regime an Sonntag Raketentests durch.
Die US-Regierung gab am Wochenende zu verstehen, dass sie nach dem Bekanntwerden des Baus einer zweiten iranischen Urananreicherungsanlage Teheran auffordern wolle, internationale Inspektoren zuzulassen.
Hochrangige US-Beamte sagten, der Iran müsse Inspektoren innerhalb der nächsten Wochen zulassen. Diese müssten sich frei bewegen und das leitende Personal des iranischen Atomprogramms, insbesondere der zweiten Atomanreicherungsanlage in Ghom, ungehindert sprechen können. Die Inspektoren müssten auch Zugang zu allen Dokumenten hinsichtlich des Baus der Anlage erhalten.
Mit diesen Forderungen reagierte Washington auf Informationen, wonach der Iran an einer Anlage baue, die sich auf dem Gelände einer Militärbasis nur 40 Kilometer nördlich der heiligen Stadt Ghom befinde. Obama hatte diese Geheimdienstinformationen im Rahmen des Gipfeltreffens der G 20 am Freitag in Pittsburgh bekannt gegeben und das Treffen gleich zu Beratungen genutzt, wie der Westen weiter gegen den Iran vorgehen solle.
Obama hatte Teheran bei seinem Amtsantritt direkte Gespräche angeboten. Ein erstes Treffen der Vertreter des UN-Sicherheitsrates sowie Deutschlands mit Gesandten des Irans ist für Donnerstag in Genf geplant.
In Pittsburgh wurde auch deutlich, dass westliche Regierungen zwar weiter an einem Dialog festhalten wollen. Allerdings sei man zu scharfen Sanktionen bereit, sollte der Iran nicht kooperieren. Auch Obama sprach in seiner samstäglichen Radioansprache davon, dass er an Gesprächen festhalte. Allerdings müssten die Mullahs bis Jahresende ein deutliches Engagement zur Kooperation zeigen, oder es würden drastische Konsequenzen folgen.
Zuvor hatte Obama klargemacht, dass er erste Erfolge der Zusammenarbeit bis Jahresende sehen wolle. Laut US-Berichten soll es hinsichtlich des Zeitrahmens zwischen US-Diplomaten und ihren europäischen Kollegen Meinungsverschiedenheiten geben. Zum Wochenende hatten sich US-amerikanische und europäische Diplomaten geeinigt, den Iran auch aufzufordern, den Inspektoren Computer auszuhändigen, die Einblicke in ein mögliches Atomwaffenprogramm geben könnten.
Ungeachtet der angespannten Lage ließen die Mullahs laut Medienberichten am Sonntag eine neue Kurzstreckenrakete testen. Israels Premier Netanjahu forderte in Telefonaten mit US-Verantwortlichen angesichts der Eskalierung im Atomstreit "lähmende Sanktionen".
Bislang war nur die iranische Anlage in Natans bekannt gewesen. Wie Obama sagte, seien die Informationen westlicher Geheimdienste bezüglich der Existenz einer zweiten unterirdischen Anlage "hieb- und stichfest". Die Anlage soll eine Kapazität für rund 3.000 Zentrifugen haben und in 18 Monaten den Betrieb aufnehmen können. Die Zentrifugen könnten genug Uran anreichern, um eine Atombombe pro Jahr zu bauen.
Nach Angaben aus Teheran hätte die Anlage erst ein halbes Jahr vor Inbetriebnahme der Atomaufsichtsbehörde IAEO gemeldet werden müssen. Der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, sagte am Samstag im staatlichen iranischen Fernsehen, dass es "in angemessener Zeit" die Möglichkeit zur Inspektion der neuen Fabrik geben werde.
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