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Sanktionen bringen nichts"Fahrt nach Birma - jetzt"

Die Junta sitzt nach der Unterdrückung der Mönchs-Proteste fest im Sattel. Dennoch: Westliche Sanktionen bringen nichts, denn sie schaden den Falschen, sagt der Birma-Experte Hans-Bernd Zöllner.

Das Militär durch Demonstrationen zum Abdanken zu zwingen, halte ich für völlig unrealistisch", sagt Zöllner. Bild: dpa
Sven Hansen
Interview von Sven Hansen

Bild: privat
Im Interview: 

HANS-BERND ZÖLLNER, 65, unterrichtet Sprachen und Kulturen des südostasiatischen Festlands am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg. 2000 erschien von ihm "Birma zwischen Unabhängigkeit zuerst, Unabhängigkeit zuletzt". Der frühere Pastor war bis vergangenen Sonntag knapp drei Wochen in Birma unterwegs, wo er sich im Rahmen eines Literaturprojektes der Uni Passau mit zahlreichen Intellektuellen getroffen hat.

taz: Herr Zöllner, Sie waren knapp drei Wochen in Birma und haben viele Intellektuelle getroffen. Gibt es Anzeichen, dass die von Mönchen geführten Proteste wieder aufflammen können?

Hans-Bernd Zöllner: Es ist schwierig zu sagen, was überhaupt passiert ist. Es waren Proteste, die aber kein richtiges Ziel hatten. Jetzt, nach ihrer Unterdrückung, ist es wieder so wie vorher: Ruhig an der Oberfläche, aber darunter herrscht viel Unzufriedenheit.

Der UN-Gesandte Gambari hat Juntachef Than Shwe und die unter Hausarrest stehende Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi getroffen. Wie sehen die Intellektuellen in Birma die Bemühungen der UN?

Mit milder Hoffnung. Die einfachen Leute haben allerdings übertrieben große Hoffnung. Ein Taxifahrer hat mir fröhlich erzählt, dass Aung San Suu Kyi in einem halben Jahr an der Macht ist. Das ist leider Wunderglaube.

Trotzdem hat sich die Junta flexibler als erwartet gezeigt. Ihr Unterhändler hat Aung San Suu Kyi getroffen

Die Junta ist im Hinblick auf PR sehr flexibel. Aber eine substanzielle Änderung ihrer Haltung ist das nicht. Dass die Junta einen "Beziehungsminister" für Kontakte mit der Opposition ernannt hat, ist eine raffinierte und traditionell königlich-birmanische Attitude, weil sie damit westliche Forderungen nach direkten Gesprächen Than Shwes mit Aung San Suu Kyi und damit quasi von "gleich zu gleich" aushebelt.

Westliche Staaten haben nach der gewaltsamen Zerschlagung der Proteste ihre Sanktionen verschärft. Welchen Effekt wird das haben?

Das ist die alte Taktik des "mehr davon", die völlig hilflos und kontraproduktiv ist. Ich habe in Birma niemand getroffen, der sich davon etwas verspricht - und ich habe mit keinem einzigen Regimefreund gesprochen. Es ist ein hilfloser Reflex.

Wie können ausländische Regierungen Birmas Demokratiebewegung unterstützen?

Es ist weniger einer Demokratiebewegung als eine Bewegung für ein besseres Leben - erstens ökonomisch, zweitens in Sachen Freiheit und drittens in Sachen Rechtssicherheit. Die westliche Politik sollte eine völlige Kehrtwende vollziehen. Das würde Birma wirklich helfen. Die bisherigen Reflexe sind total irrational.

Was ist konkret zu tun?

In den Touristenzentren wurde ich von Menschen, die wegen der ausbleibenden Touristen keine Arbeit mehr haben, heftig angegangen. Wer jetzt Solidarität mit Birma üben will, sollte sich schlau machen, dorthin fahren, Geld bei den richtigen Leuten ausgeben und dann über die Eindrücke berichten. Auch unsere Politiker sollten sich erst mal schlau machen. Unsere Politiker haben keine Ahnung.

Was empfehlen Sie?

Ich würde den Visaboykott gegen die Juntageneräle sofort aufheben, sie einladen und hier und in Amerika zeigen, wie gut Demokratie funktioniert und wie man eine Wirtschaft managt. Und natürlich auch Tacheles reden.

Diese Einladungen würden angenommen?

Von bestimmten Leuten sicherlich. Juntachef Than Shwe, bauernschlau wie er ist, würde eher ablehnen. Es geht darum, Teufelskreise zu durchbrechen. Sanktionen helfen da nicht.

Than Shwe ist über 70 Jahre alt. Es steht also bald ein Führungswechsel an. Verbinden Sie damit Hoffnungen?

Es gibt nur eine vage Hoffnung. Es wird keinen Machtwechsel, sondern nur eine Übergabe des Staffelstabs geben. Darüber gibt es viele Spekulationen. Die bisherige Nummer zwei soll ein Alkoholproblem haben, so dass wohl eher jemand aus der jüngeren Militärgeneration nachfolgt, die zum Teil sehr gut ausgebildet und clever ist. Die jetzige Führungsgeneration hat ihre prägenden Erfahrungen in Kämpfen mit den zahlreichen Rebellenbewegungen gesammelt. Was die jüngere Generation betrifft, dürfen wir nicht vergessen, dass die Militärakademien die besten Universitäten des Landes sind und dass diese Generäle teilweise auch Erfahrungen im asiatischen Ausland sammeln konnten.

Welches Zukunftsszenario halten Sie für realistisch?

Das einzig rationale Szenario ist, dass die regierenden "Schurken" die Gelegenheit bekommen, ihre Roadmap durchziehen, also eine Verfassung zu erarbeiten, ein Referendum durchzuführen, das mit Demokratie nichts zu tun hat, aber eine gewisse Stabilität und eine gewisse Rechtssicherheit ermöglicht. So kann es in vielleicht 10 bis 15 Jahren etwas besser werden, wenn In- und Ausland kooperieren. Das Szenario gefällt mir nicht, aber ich sehen keinen anderen realistischen Weg. Das Militär durch Demonstrationen zum Abdanken zu zwingen, halte ich für völlig unrealistisch. Ich empfinde all jene als zynisch, die von Regimewechsel sprechen, ohne die Lage der Bevölkerung im Blick zu haben. Der geht es verdammt dreckig.

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3 Kommentare

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  • OK
    Otto Krebs

    Die Ausländer wissen besser was für Myanmar (Burma) gut ist! Der Aufruf von Aung San Su Ky wird einfach von der westlichen Reisebranche mit dem Hinweis übergangen 'dass die Leute wissbegierig seien' und es Einkommen verschafft. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Für die Leute in Myanmar werden die Informationen von den Verwandten und Bekannten welche im Ausland arbeiten (gezwungenermassen um zu überleben) nach Myanmar hineingebracht (gleiche Sprache und Gefühle). Dieser Aufruf betrachte ich als verkappte Propagande: ist doch der Interviewte ein guter Spezi (Freund und Studienkollege) des Inhaber eines Reisebüros in Yangon. Übrigens was will man jetzt in den Klöstern anschauen? Die schwarzen Flecken am Boden wo sie die totgeschlagenen Mönche verbrannt haben?

    Es kommt nicht von ungefähr, dass das Regime als erstes von der Opposition verlangt die Boykottaufrufe zurückzunehmen. Es schmerzt sie.

    Die Juntamitglieder reisen regelmässig ins Ausland und ihre Kinder studieren ausnahmslos im Ausland (USA!!). Wenn die Juntamitglieder krank sind, reisen sie sofort ins Ausland, vorzugsweise nach Singapore, Bankok, etc.

  • TK
    Thomas Kienberg

    Die Position, die Aufhebung der (oder einiger) Sanktionen gegen Burma/Myanmar zu verlangen, ist nicht unbegründet. Schließlich haben sie in der Vergangenheit nur wenig politischen Einfluß auf die Machthaber gehabt. Die erfolgreichere Politik der asiatischen Nachbarstaaten, die Beschneidung eigener Interessen, die Doppelbödigkeit westlicher Menschenrechtspolitik und der Erhalt von Kommunikationskanälen ? alles weitere richtige Argumente gegen Sanktionen. Aber sollte dabei die eindeutige Unterstützung für die Opposition, die unter enormen persönlichen Opfern den Widerstand aufnahm, verloren gehen? Egal, ob Hunger nach Reis oder Hunger nach Meinungsfreiheit und Schutz vor Folter, es geht um wesentliche Menschenrechte! Auch Burma/Myanmar hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bereits 1948 unterschrieben und ratifiziert. Diese Position muß ein ?essential? der Außenpolitik aller Staaten gegenüber Burma/Myanmar sein, auch unterfüttert mit Sanktionen. (Zur Glaubwürdigkeit würde allerdings ein gleiches Vorgehen gegenüber Menschenrechtsverletzungen in VR China oder im Irak beitragen, ebenso eine koordinierte Politik seitens des ?Westens?, der ASEAN und weiterer Staaten.) Natürlich sind Sanktionen kein Allheilmittel, verlangen eine zielgenaue Anwendung und können mit Konditionen versehen werden. Sie sind jedoch meiner Meinung nach momentan zur Ergänzung des diplomatischen Drucks und der Unterstützung der prodemokratischen Kräfte im Land unbedingt nötig.

     

    Noch ein Wort zu den ?ahnungslosen Politikern?: Wer sich die Mitschrift der Bundestagsdebatte vom 10. Oktober durchliest, erkennt schon eine gewisse Kompetenz der Abgeordneten. Daß dort keine schnellen Antworten zur Lösung des myanmarischen/burmesischen Konfliktknotens gefunden werden konnten, mag bedauerlich erscheinen, ist aber seit Anfang der 90er Jahre auch in der wissenschaftlichen Community nicht anders. Wer hat vor sechs Monaten ernsthaft mit von Mönchen angeführten Massenprotesten gerechnet?

     

    Thomas Kienberg

  • KM
    Khin Maung Saw

    Mein lieber Freund Dr. Zoellner,

     

    Sie haben wie folgt geäußert;

    Taz: Was empfehlen Sie?

     

    Zöllner: Ich würde den Visaboykott gegen die Juntageneräle sofort aufheben, sie einladen und hier und in Amerika zeigen, wie gut Demokratie funktioniert und wie man eine Wirtschaft managt. Und natürlich auch Tacheles reden.

     

    Was soll ich dazu sagen?

     

    Den Vorschlag Dr. Zoellners haben die ASEAN Länder seit 1997 versucht, indem sie Burma als ein Mitglied der ASEAN Länder -trotz der strengen Proteste von den westlichen Ländern- akzeptiert hatten, aber leider ist der Versuch nicht gelungen, sondern wurden diese Generäle hartnäckiger, weil sie dachten, dass sie Freunde gefunden hätten. Es ist genau wie das burmesische Sprichtwort. "Es ist zwecklos, einen Tiger zu bitten, um ein Vegetarier zu werden".

     

    Warum haben Sie auch nicht vorgeschlagen, die westlichen Länder nicht nur die Generäle, sondern auch Ihre Frauen mit Kindern für die Einkaufsreise einzuladen, und je Familie paar Millionen US Dollar als Einkaufsbonus zugeben, damit sie die Entwicklung und die Demokratie der westlichen Länder besser kennenlernen könnten?

     

    Mit vielen Grüßen

     

    Ihr Freund

     

    KMS