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Archiv-Artikel

Sagt Mutter, ‘s ist Uwe

Über spukende Leichen und den Mörder von Mecklenburg-Vorpommern

Nachdem ich meine Wohnung Renovier-Dieter übergeben hatte, fuhr ich nach Mecklenburg-Vorpommern, wo meine Freundin Lissy eine Datsche hat, die auch gerade renoviert wurde.

Eigentlich dachte ich, ich würde mit ihr allein dort sein, aber da sie nie nein sagen kann, waren noch diverse andere Leute da, mit denen wir uns das halbe Haus teilen mussten. Ein Ehepaar, das Hasi hieß (alle beide) und drei Wochen blieb, samt Tochter Michelle (6), und Lissys Enkel Sascha (8), an dem Michelle immerzu herumhing, was ihm sehr unangenehm war. Als die beiden einmal abends zusammen ins Bett gesteckt wurden, damit man ihnen gemeinsam eine Geschichte vorlesen konnte, hörte ich Michelle zu Sascha sagen: „Ich hab schon meinen Schlüpfer ausgezogen, is dir peinlich, wa?“

Dann gab es noch einen Architekten, der drei Monate blieb und das Wohnzimmer mit Hirnholzpflaster verlegte, das einzige Hirnholzpflaster in Mecklenburg-Vorpommern, da könne man hinterher Eintritt nehmen („Lasst die Kinder mal nach vorne!“), und Lissys Töchter samt Freund, also die eine hatte einen, von der anderen weiß ich es nicht. Dann war noch der Kater Chrisso da, den ich einmal beinahe in Berlin aus dem fünften Stock geschmissen hatte. Der war bescheuert wie eh und je und schiss regelmäßig ins Blmenbeet, wenn wir direkt daneben am Kaffeetisch saßen.

Nebenan war eine Pferdekoppel, auf der ein einsames Pferd manchmal herumsprang und schnaubte, und manchmal stand es still am Zaun und fraß unsere Himbeerbüsche ab. Der Architekt meinte, dass das Pferd wohl schizophren sei oder verschiedene Persönlichkeiten in sich vereinige, daraufhin tauften wir es Monika&Bernd.

Der Mörder von Mecklenburg-Vorpommern kam auch gerne mal vorbeigetrottet. Das war der Nachbar Uwe. Der wurde von uns deshalb so genannt, weil er vor zwei Jahren nachts besoffen den ebenfalls besoffenen Besitzer von Lissys halber Datsche mit dem Auto totgefahren hatte. Danach bekam Lissy endlich die Möglichkeit, das ganze Ding zu kaufen. „Sagt Mutter, ’s ist Uwe“, sagten wir, wenn er in Sicht kam. „Sagt Mutter, ’s ist Uwe“ stammt aus einer Ballade, welche die jungen Leute natürlich nicht kannten, aber Lissy und ich konnten sie furchtbar schnell aufsagen.

Nachts spukte die Leiche des Vorbesitzers auf dem Dachboden herum, jedenfalls nahmen wir das an, weil die Neonröhre in der Küche immerzu an- und ausging. Der Architekt meinte, es würde sich um eine Fehlschaltung handeln. Der Architekt hatte logische Erklärungen für alles; das passte uns gar nicht, und seine Gesprächsbeiträge arteten immer zu Vorträgen aus. Man konnte ihn nur ab und zu brutal unterbrechen und sagen: „Ach, so eine langweilige Geschichte kenne ich auch: Als ich mal auf einem Linguistenkongress war …“

Er schlief auf einer Matratze, die nachts komische Geräusche von sich gab, und eines Tages beklagte er sich, weil die Matratze immer noch in Plastik verschweißt war. Er glaubte, dass es sich um eine Inkontinenzmatratze handele, aber Lissy hatte nur vergessen, die Verpackung abzunehmen.

Apropos vergessen: Als der Architekt mit der Renovierung fertig war, fuhr ich nach Hause. Da war aber noch nichts gemacht, weil ich vergessen hatte, Dieter den Wohnungsschlüssel zu geben. FANNY MÜLLER