verpasst? : Safari durch den Alltag
„I love Deutschland“, 1. Folge, So., 22.00 Uhr, WDR
Die Ethnologie ist eine eigenartige Disziplin: einfach mal in der Fremde vorbeischauen und den Fremden erklären, was sie denn da so treiben. Hahnenkämpfe auf Bali, Trauerkulte auf den Philippinen, kein Ende der Welt, das der weiße Wissenschaftler nicht analysiert und eingeordnet hätte.
Vor der eigenen Tür lässt uns der fremde Blick wiederum seltsam fremdeln. Genau das ist der Kniff von John Doyles Exkursionen in den deutschen Alltag. Er ist der Feldforscher, der plötzlich ganz genau auf vermeintlich typisch deutsche Riten und Traditionen guckt. Er wühlt in den Klischees und schafft dabei merkwürdigerweise beides: das Klischee zum Klamauk hochzujazzen und doch einen wahren Kern dahinter auszustellen: „Deutsche Ordnung wirkt wie ein Psychopharmaka: In Amerika braucht man zwei Valium und einen Psychotherapeuten, in Deutschland nimmt man einfach eine Portion Ordnung.“
Die Ordnung respektive der deutsche Ordnungssinn war denn auch das Leitmotiv der ersten Folge der vierteiligen Dokureihe „I love Deutschland!“. Und es gab eindrückliche Bilder aus einem aufgeräumten Land zu sehen: fein säuberliche aufgereihte, farblich sortierte Leitz-Ordner etwa, in Schwarz, in Rot, in Gold. Akkurat gestutzte Kleingartenhecken, in Reih und Glied, geklont beinahe.
John Doyle – in Köln lebender Exil-Amerikaner und tatsächlich einmal Finalist der Sat.1-Castingshow „Star Search“ – denunziert dabei glücklicherweise nichts und niemanden. Er sagt nicht: „Schaut her, wie blöd sind die denn.“ Sondern: „Schaut her, wie faszinierend seltsam ist das alles.“ In solchen, seinen besten Momenten macht er sich beinahe selbst überflüssig. Dann guckt ein Fernsehpublikum einfach nur in sein eigenes Land hinein.
Das eigenartige Verhältnis eines Landes zu seinem Nachwuchs etwa, Thema von Doyles zweiter Alltags-Safari am kommenden Sonntag, wieder um 22 Uhr im WDR: „Kinder sind laut, unordentlich und unberechenbar, alles Tugenden, die nicht sprichwörtlich deutsch sind.“ Weitere Folgen: Sex und Weihnachten. CLEM