Kommentar: Sackgasse
■ Vorsicht bei Demo-Verboten
Die erste Runde in der Neoonazi-Antifa-Heß-Gedenkwoche ist rum. Das Zwischenergebnis: Die Gerichte konnten ihre astreine Gesinnung demonstrieren, indem sie die Nazi-Aufmärsche verboten, knapp 50 Antifas wurden festgesetzt und konnten sich als Helden fühlen, die Polizei hatte ihre Machtdemonstration, um die Schmach der Comet-Plünderungen gutzumachen, und die dürre Bremer Neonazi-Szene hat ihre Publicity gehabt. Eine schlechte Bilanz.
Der wirksamste Schutz gegen die Bedrohung der Demokratie ist das massenhafte Bekenntnis zu eben dieser Demokratie. Dieses Bekenntnis aber gab es nicht. Die demokratische Öffentlichkeit hat allein auf Gerichte und Polizei gesetzt: Hauptsache verbieten. Der DGB hatte zwar vorsorglich eine Demo angemeldet, dann aber verzichtet. Und diese Lethargie wird auch noch durch die Rechtssprechung befördert: Wenn ein Gericht beim Verbot einer Demo vor allem damit argumentiert, daß es zu gewalttätigen Gegendemos kommen kann, dann müssen nicht nur alle Gegendemos abgeblasen werden. Gleichzeitig eröffnet diese Argumentation den wildesten Begründungen Tür und Tor. Was passiert denn, wenn bei der nächsten Demokraten-Demo die Neonazis den Finger heben und „gewalttätige Störungen“ zu befürchten sind? Muß dann auch die Straße geräumt werden? Die Auseinandersetzung mit Rechts ist in eine Sackgasse gelaufen. Jochen Grabler
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