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Sachsen gegen tschechische StaustufeFatale ökologische Folgen für die Elbe

Die Elbe soll ganzjährig schiffbar werden. Nach Ansicht des Landes Sachsen wären die Auswirkung der in Tschechien geplanten Staustufe auf den Lebensraum schwerwiegend.

Bereits im Mai 2011 protestierten schwimende Aktivisten in der Elbe gegen die geplante Staustufe im tschechischen Decin. Bild: dpa

DRESDEN taz | Der Streit der Elbanrainer um den Ausbau des Flusses spitzt sich zu. Sachsen lehnt den Bau einer 220 Millionen Euro teuren Elbe-Staustufe beim grenznahen tschechischen Decin entschieden ab. Das Land sieht sich nach der Prüfung überarbeiteter Planungsunterlagen der tschechischen Seite in dieser Position bestätigt.

„Für mich wäre es ein Fehler, eine Staustufe bei Decin zu bauen“, sagte der sächsische Umweltminister Frank Kupfer (CDU) kurz vor Ostern. Kupfer stellte allerdings klar, dass sein Ressort nur eine ökologische Bewertung vorgenommen habe und die wirtschaftlichen Aspekte nicht kommentieren wolle.

Auch die tschechischen Korrekturen hätten die bereits vor einem Jahr geäußerten sächsischen Bedenken nicht zerstreut, bekräftigte Kupfer. Der entstehende Stausee würde die Ufervegetation überfluten und beispielsweise Biberpopulationen entlang des bis nach Mittelsachsen reichenden FFH-Gebietes am Elbufer behindern.

Die erwartete Verschlechterung der Wasserqualität verstoße gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Vor allem die Fisch-Schutzgitter vor dem geplanten Wasserkraftwerk fielen noch hinter die Standards des Preußischen Fischereigesetzes von 1880 zurück. Der endlich wieder in der Elbe heimisch gewordene Lachs hätte kaum eine Überlebenschance. Die Staustufe befände sich „an entscheidend ungünstiger Stelle“, so der Umweltminister.

Tschechien möchte eine nahezu ganzjährige Befahrbarkeit der Elbe gewährleisten. Am Oberlauf ist dies wegen des stärkeren Gefälles nicht durch Fahrrinnenvertiefung, sondern nur durch Staustufen und Wehre möglich – wie etwa auch an der Donau in Bayern, die weitgehend verbaut ist.

Illusorische Ziele

Sachsen lehnt den Bau von Staustufen an der Oberelbe ab. Es befindet sich mit dieser Auffassung im Einklang mit dem Bundesumweltministerium und dem Bundesumweltamt. Im sächsischen Elbabschnitt soll die angestrebte Schiffbarkeit an 345 Tagen im Jahr mit 1,60 Meter Wassertiefe durch Fahrrinnenpflege erreicht werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) macht darauf aufmerksam, dass das Ziel einer ganzjährigen Schiffbarkeit der Elbe durch die immer stärker schwankenden Wasserstände illusorisch ist. In den letzten 15 Jahren wurde nur an durchschnittlich 192 Tagen im Jahr die erforderliche Wassertiefe für Frachtschiffe erreicht.

Eine Staustufe an der tschechisch-sächsischen Grenze sei deshalb auch wirtschaftlich sinnlos. Außerdem gehe der Güterumschlag an tschechischen Häfen kontinuierlich zurück. Ähnlich äußerten sich Abgeordnete der Grünen und der Linken im Sächsischen Landtag. Nach der jetzt erfolgten Umweltverträglichkeitsprüfung stehen weitere Konsultationen zwischen Tschechien und Sachsen an.

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7 Kommentare

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  • K
    Karl

    Eine Staustufe hat auch einen gewissen wasserchemischen Vorteil!

     

    Alle schädlichen Wasserinhaltststoffe sammeln sich erstmal und können dort abgelagert bzw schonmal anfangstransformiert werden!

     

    Auch eien gute Sperre, wenn es mal wieder im Chemiebezirk der Oberlieger havariert...

     

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • W
    Waage

    Ja so ist das manchmal wenn man meint nach dem ersten Überfliegen schon genau zu wissen was im Artikel steht und dann direkt die Antiökokeule schwingt.

    Vergesst meinen zuvor abgegeben Kommentar, die Sache ist nach sorgfältiger Lektüre wohl doch verzwickter als ich dachte.

     

    In Bezug auf die papenburger "Pappenheimer" habe ich aber nix zurückzunehmen!

  • M
    micha

    @jörn

    das dilemma an diesem bauvorhaben ist nur, dass sowohl eine keine 10 Jahre alte, nicht ausgelastete autobahn als auch eine nicht vollständig ausgelastete bahnstrecke für transporte ab decin richtung norden vorhanden sind. würde tschechien die genannten 220 mio euro in seine bahninfrastruktur investieren wären sie sowohl okologisch als vor allem auch ökonomisch deutlich besser aufgestellt.

  • W
    Waage

    Ich kann Peter und Jörn nur zustimmen:

    hier scheint die Staustufe bei einer genauen Pro- und Contraabwägung selbst ökologisch Sinn zu machen.

    Der BUND macht hier nur Ärger weil er von vornherein weiß, dass er nichts ausrichten kann.

    Wohlfeiler Paradewiderstand - gut für das Image.

     

    Bei einer anderen Sache hat sich der BUND ja aus einer sehr starken Position heraus den Widerstand abkaufen lassen:

    es gehr um das regelmäßigen Aufstauen der Emsmündung, eine wirklich grandiose Sauerrei!

     

    Der BUND hätte es damals wirklich in der Hand gehabt, aber für eine nette Umweltstifung in die das Land und Meyer großzügig eingezahlt haben...

     

    Dabei ist es wirklich ofensichtlich, dass die Meyerwerft gehört nach nach Emden gehört!

  • KB
    Klaus B., Hamburg

    Das Verkehrssystem Binnenschiff hätte nur dann eine Zukunft im Elbegebiet (auch einige Nebenflüsse sind ja Wasserstrassen), wenn sich die Schiffe an den Fluss anpassen, d.h., sie müssen weniger Tiefgang haben. Zwangsläufig würde man dann auch sparsamere Motoren einbauen, und erst dann wäre der Transport auf dem Wasser ökologisch konkurrenzfähig mit der Schiene und der Straße. Im heutigen Zustand ist von den drei Verkehrsystemen Wasser, Strasse und Schiene letztere die für Umwelt und Klima günstigste und wirtschaftlich leistungs- und ausbaufähige Lösung.

    Die Staustufe Decin bringt regional eine Verbesserung, aber nur wenige Kilometer unterhalb führt die Elbe an zu wenigen Tagen im Jahr genug Wasser für eine rentable Fahrt mit den heutigen zu großen Schiffen. Die Elbe ist kein Wasserathlet wie Vater Rhein. Bis Hamburg reicht es ökonomisch nicht, wohl aber die negativen ökologischen Wirkungen.

    Wer nun glaubt, das müsse man in einem Industrieland hinnehmen, denkt gesetzwidrig: die europäische Wasserrahmenrichtlinie gilt gerade für intensiv genutzte Gewässer und fordert, dass die Fische sich darin ungehindert bewegen können. Die Wasserrahmenrichtlinie fordert auch, grenzüberschreitende Gewässer als eine Flussgebietseinheit zu bewirtschaften, so dass das Land Sachsen sogar die Pflicht hat, die Staustufe abzulehnen, und die Umweltschutzorganisationen sich selbstverständlich auch über die Staatsgrenze hinweg engagieren sollen. Auf tschechischer Seite lehnt der Umweltverband Arnika die Staustufe ab, wie es der BUND und andere Umweltschützer auf deutscher Seite tun.

  • J
    Jörn

    In einer Industriegesellschaft kann man Beeinträchtigungen der Umwelt nicht ausschliessen, sondern muss sie minimieren. Insofern kann der Bau einer Staustufe ökologisch sinnvoll sein, wenn dadurch der Bau von Autobahnen verhindert werden kann. Dass trotzdem alles getan werden muss, um die Beeinträchtigungen zu minimieren, versteht sich von selbst.

    Der BUND dagegen engagiert sich gegen Bahnstrecken und Kanäle und ist aus dem Protest gegen den weiteren unsinnigen Autobahnbau fast vollständig ausgestiegen. Die Verkehrswende von Bahn und Schiff zum LKW wird nicht mehr kritisiert sondern hingenommen. Damit mag der BUND populistisch gewinnen - seine ökologische Glaubwürdigkeit hat er jedoch verspielt. Da helfen dann auch keine Werbekampagnen von professionellen Drückerkolonnen mehr.

  • P
    Peter

    Es gibt kaum einen ökologischeren Transport als den auf dem Wasserweg. Das an der Staustufe auch geplante Wasserkraftwerk ermöglicht eine äußerst ökologische Form der Energiegewinnung.

    Biber und Fische sollten eine Rolle spielen bei der Bewertung. Aber der Tierschutz sollte nicht über allem stehen. Das wäre eine Pervertierung eines an sich richtigen Anliegens.

    Aber eine ungeheuerliche Anmaßung des BUND ist es (abgesehen davon, dass das "D" im Namen Deutschland bedeutet), dass er die technischen und wirtschaftlichen Vorteile der Staustufe bestreitet. Er hält also die tschechischen Planer und Entscheidungsträger für zu blöd, dies zu erkennen. Da kann man nur sagen: "Schuster bleib bei deinem Leisten."