: Saat des Sri-Lanka-Konflikts in Indien
■ Delhi fürchtet Auswirkungen auf Separationsbewegungen in Kaschmir und Punjab
Wie wird Indien sich angesichts der Lage im Nachbarstaat künftig verhalten? Nach der als gescheitert geltenden Involvierung in die inneren Angelegenheiten des Nachbarn durch den „indo-srilankischen Friedensvertrag“ von 1987 und dem erfolgten Rückzug indischer Truppen im März diesen Jahres haben die „Macher“ in Neu Delhi ihre neue Sri-Lanka -Politik noch nicht ganz gefunden. Indiens neuer Premierminister V.P.Singh hat eine neuerliche Entsendung indischer Truppen bereits ausgeschlossen, die Zentralregierung hat sich nach Ausbruch der Kampfhandlungen im Nachbarland bisher verbale Zurückhaltung auferlegt. Delhi beschränkte sich weitgehend auf die mittlerweile rituell anmutenden Äußerungen, man sei angesichts der zunehmenden Auseinandersetzungen „ernsthaft besorgt“ und „bedauere die vielen zivilen Opfer“ des erneuten Krieges. Aber mit seiner Fortdauer wird sich Indien nicht aus den inneren Angelegenheiten des Nachbarstaates heraushalten können. Beobachter sehen dafür mehrere Gründe, die schon ab 1983 zur sukzessiven Einmischung Indiens führten: Erneut haben sich Zehntausende von tamilischen Flüchtlingen während der vergangenen Wochen ins benachbarte Tamil Nadu aufgemacht, um dort in Sicherheit zu gelangen. Informationen des „Movement for Integration of Refugess and Repatriates“ in Madras zufolge erreichen täglich über 1.000 Flüchtlinge die Südküste Indiens. Bis Mitte August seien etwa 60.000 Personen von insgesamt 18 Flüchtlingslagern aufgenommen worden. „Die Leute erzählen von der Bombardierung ganzer Dörfer aus der Luft und vom Versorgungsnotstand“, berichtet die Sekretärin der Organisation, Mageswaree Velaithan. Sie erwartet in der nächsten Zeit über 100.000 Flüchtlinge vor allem von der Halbinsel Jaffna und aus den Ostgebieten der Insel. Zunehmend bestimmt deshalb die Eskalation im Nachbarstaat die politische Stimmung im südlichen Indien mit einer Bevölkerung, die ethnisch und kulturell mit den Tamilen Sri Lankas verwandt ist.
Große Sorge dürften der Zentralregierung Informationen über eine angebliche Allianz zwischen den tamilischen „Befreiungstigern“ LTTE und militanten tamilisch -nationalistischen Kreisen im südlichen Bundesstaat bereiten. Informationen zufolge sollen die „Befreiungstiger“, für die Tamil Nadu als Rückzugsgebiet überlebenswichtig ist, bereits mehrere Hundert Rekruten der tamilisch-nationalistischen DK militärisch geschult haben. Indiens Expremier Gandhi hat kürzlich der regierenden DMK vorgeworfen, die LTTE bei ihrem Sezessionskampf zu unterstützen. LTTE und DMK lieferten außerdem gemeinsam Waffen in den Punjab. Gandhi beschuldigte die Regierung V.P.Singh, diesen gefährlichen Entwicklungen tatenlos zuzusehen. Tamil Nadus Ministerpräsident, Karunanidhi, wies die Vorwürfe als „demagogische Lüge“ zurück.
Ein weiterer Grund für eine mögliche Involvierung Indiens sind Ängste, daß eine Teilung Sri Lankas auch Auswirkungen auf die Konflikte in den Bundesstaaten Punjab, Jammu und Kaschmir sowie auf die Sicherheitslage in der Region hätte.
Schließlich sind bei einer Fortdauer des Krieges Beobachter prognostizieren bereits langjährige Kämpfe sowohl die srilankische Regierung als auch die LTTE auf die Unterstützung anderer Länder angewiesen: Beide Seiten benötigen Waffen und Munition. Sollte Indien solchen Wünschen der einen oder anderen Seite nicht nachkommen, besteht die Wahrscheinlichkeit, daß ein anderes Land der Region zu Hilfe kommt. Die militärische Unterstützung Pakistans für Colombo war bereits 1987 ein Grund für die indische Intervention in Sri Lanka.
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