Saarland: Linke zieht in Landtag ein
Die grüne Abgeordnete Spaniol wechselt zur Linkspartei. Auch der Landesvorsitzende von Ver.di und seine Vize folgen Lafontaine.
SAARBRÜCKEN taz Lafontaine, der Menschenfischer. Der zur Linken konvertierte ehemalige Bundesvorsitzende der SPD und einst gefeierte Ministerpräsident des Saarlandes, Oskar Lafontaine, präsentierte gestern in Saarbrücken gleich eine ganze Riege von wichtigen Gewerkschaftsfunktionären an der Saar, die ihm von der SPD zu den Linken gefolgt sind. Und als Überraschungscoup noch eine bislang grüne Landtagsabgeordnete dazu.
Barbara Spaniol aus Homburg hat die dreiköpfige Landtagsfraktion der Grünen um Parteichef Hubert Ulrich am Wochenende verlassen. Und die grüne Partei nach elf Jahren Mitgliedschaft gleich mit. Die Linke im Saarland hat damit schon einen Fuß im Landtag - gut zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl, die nach dem Wunsch von Lafontaine am besten zeitgleich mit der nächsten Bundestagswahl stattfinden soll.
Lafontaine nämlich fährt eine Doppelstrategie: Ministerpräsident an der Saar will er werden. Und wieder Bundestagsabgeordneter, wenn das mit dem Job an der Saar doch nicht klappen sollte. Als Oppositionsführer jedenfalls, und das stellte der Vorsitzende der Linken klar, kehre er nicht ins Saarland zurück. Dann mache er lieber "weiter Bundespolitik".
Der Generalangriff von Lafontaine auf die alten Genossen an der Saar jedenfalls hat längst begonnen. Dem sozialdemokratischen Landesvorsitzenden und Fraktionsführer im Landtag, Heiko Mass, laufen schon seit drei Jahren die Mitglieder davon, oder sie sterben weg. Bislang allerdings konnte SPD-Landesparteisprecher Thorsten Bischoff noch gebetsmühlenartig darauf verweisen, dass unter den zur Linken gegangenen Renegaten wenigstens keine Genossen von Bedeutung und auch keine herausragenden Gewerkschaftsfunktionäre gewesen seien. Doch damit ist jetzt Schluss.
Mit Rolf Linsler präsentierte Lafontaine den Boss von Ver.di an der Saar, dessen Stellvertreterin und weitere langjährige Gewerkschaftsmitglieder gleich mit. 35 Jahre lang gehörte Linsler der sozialdemokratischen Partei an. Er sei immer eine Linker gewesen, sagte der Gewerkschaftschef im Brustton der Überzeugung; "aber für einen Linken ist in der SPD seit Schröder kein Platz mehr". Jetzt wolle er die Linke stärken und "Oskar Lafontaine dabei helfen, an seine erfolgreiche Sozialpolitik der Vergangenheit anknüpfen zu können - als Ministerpräsident". Dass Linsler dabei der Posten des Fraktionsvorsitzenden im Landtag zugesichert worden sei, war zuvor von Maas (SPD) kolportiert worden. Linsler und Lafontaine dementierten das.
Die bislang grüne Landtagsabgeordnete Spaniol argumentierte ähnlich wie Linsler. Die Grünen auf Bundesebene hätten zuletzt "fast alles mitgemacht". Hartz IV gehe mit auf das Konto der grünen Partei; und die "bewaffneten Auslandseinsätze auch". Auch auf Landesebene habe es politische Differenzen etwa mit Partei- und Fraktionschef Hubert Ulrich gegeben. Dessen Äußerungen, dass die Grünen nach der nächsten Landtagswahl mit SPD und FDP eine Koalition eingehen sollten, seien ihr sauer aufgestoßen, sagte Spaniol. Sie jedenfalls habe immer für ein "rot-rot-grünes Bündnis" plädiert.
Oskar Lafontaine begrüßte Spaniol süffisant in seiner Partei - mit einem Strauß Sonnenblumen. Dass Spaniol dem noch zu wählenden Landesvorstand der Linken angehören wird, gilt als ausgemacht. Parteichef Lafontaine freute sich über alle Maßen über die neuen Parteifreunde und prophezeit für die Landtagswahl "das Bundestagswahlergebnis an der Saar plus x Prozent". Das wären mindestens 18,5 Prozent. Zweitstärkste Fraktion müsse die Linke werden - nach der CDU.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?