SWR 1 : Schluss mit Schnarchen
von Josef-Otto Freudenreich
Raus mit der Fiktion, rein mit der Realität. Auf diesen kurzen Nenner bringt der neue SWR-Fernsehdirektor Christoph Hauser im Kontext-Interview sein Programm, das im nächsten Jahr stehen soll.
Herr Hauser, der SWR ist die zweitgrößte Anstalt in der ARD, und sie liegt quotenmäßig auf dem letzten Platz. Noch hinter dem Berliner Minisender RBB. Das muss man erst mal hinkriegen.
Halt. Wir haben uns in diesem Jahr deutlich gesteigert. Wir liegen inzwischen vor dem RBB und sind damit aus der Gefahrenzone raus. Dank starker Formate wie „betrifft:“ und „Die Kirche bleibt im Dorf“.
Die Wahrheit ist doch, dass ein Riesenladen wie der SWR ein Fernsehprogramm macht, das an Verschnarchtheit kaum zu überbieten ist.
Ich will es mal so sagen: Der SWR hat bisher kein klares Profil, keine klare Programmierung, zu viel Fiktion und zu wenig Regionalität. Wir haben den höchsten fiktionalen Anteil innerhalb der ARD-Anstalten. Der muss raus. Da gibt es nichts zu beschönigen, da hilft nur durchstarten. Und das geht nur mit einer grundlegenden Reform des Gesamtprogramms, nicht mit Flickschusterei an einzelnen Plätzen.
Um das zu stemmen, brauchen Sie die Mitarbeiter. Viele von ihnen, sagt selbst der Personalrat, treibt die Urangst vor Veränderung um.
Das habe ich nicht gespürt. Vielmehr habe ich erlebt, dass die Kollegen und Kolleginnen sagen: Mensch, endlich ein Gesamtentwurf. Dazu kommen die Landessenderdirektorinnen, die das Konzept mit ausgearbeitet haben und alle an einem Strang ziehen.
Einen großen Wurf hat auch Ihr Vorgänger Bernhard Nellessen vor drei Jahren verkündet. Er wollte die „Mitte der Gesellschaft“ (MiG) einsammeln, indem er sie mit Volksmusik, Wetter- und Kochorgien traktiert hat. Das ist offensichtlich schiefgegangen.
Zur Amtszeit meines Vorgängers will ich mich nicht äußern. Auch in seiner Zeit sind Sendungen entstanden, die den Humus bilden für den nächsten Schritt. Und der muss eine Gesamtperspektive bieten für 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche.
Und das wird jetzt alles ganz anders.
Am Montag werden wir in der Primetime mit „Debüt im Dritten“ sein, mit anspruchsvollen Filmen. Dafür werden wir richtig Geld in die Hand nehmen. Am Dienstag setzen wir verstärkt auf regionale Fiktion, zum Beispiel auf „Tatorte“ mit Bezug zum Sendegebiet.
Mit Deutschlands Kult-Blondine Daniela Katzenberger als Hauptdarstellerin.
Der Fernsehfilm mit Frau Katzenberger ist eine Degeto-/SWR-Produktion für Das Erste. Das hat mit der Reform des SWR Fernsehens erst mal nichts zu tun.
Fahren wir fort.
Am Mittwoch packen wir alles ins Programm, was wir an dokumentarischer Kompetenz im Haus haben. Wir werden die Schlagzahl von 16 auf 48 Dokumentationen in 45-minütiger Länge erhöhen, und dafür wird pro Einzelstück mehr Geld investiert. Dass der SWR so etwas kann, hat er mit seinen Reports über Gustl Mollath und die Leiharbeit bei Daimler bewiesen.
Christoph Hauser (57), war von 2005 bis 2012 Programmdirektor des deutsch-französischen Kultursenders Arte. Ende vergangenen Jahres hat er die Nachfolge von SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen angetreten. Der gebürtige Hamburger ist Germanist und promovierter Historiker.