SUSHI UND AUTOS : Solche Wände
Der Japaner in der Zimmerstraße, gleich um die Ecke vom Dutschke-Haus, ist ein Segen. Erstens macht er Super-Sushi, zweitens faire Angebote. Als tazler kommt man außerdem in dieser immer brummenden Fischkantine einer verwandten Spezies so nahe wie selten: Springer-Redakteuren. Ihr Headquarter ist genauso weit entfernt wie unseres. Man erkennt die Kollegen an ihrem raumgreifenden Habitus, ihren üppigen Platten und den mitleidigen Seitenblicken, die sie auf unsere Happy-Hour-Brettchen werfen.
Keine Ahnung, womit die beiden neben mir ihr Geld verdienen, aber es scheint auch eine ganze Menge zu sein. Barbour-Jacken, nadelgestreifte Hemden. „Der hat nur 28.000 gekostet“, sagt der eine mit bayerischem Timbre, „also nix.“ Es geht wohl um Gebrauchtwagen. „Klar, noch mal 14.000 für Motor und Getriebe, aber wie gesagt.“
Sie fachsimpeln weiter. „So ein geiler Wagen“, sagt der andere, ein Österreicher, und deutet mit der Hand eine Fast-Senkrechte an, „solche Wände fahr ich mit dem hoch in den Bergen. Und schau“, er wischt auf seinem Smartphone herum, „das ist das Auto von meiner Freundin.“
Irgendwie bin ich fasziniert. Ist das der Post-Post-Materialismus? Ach was, solche Typen hat’s immer gegeben, nur in unserer taz-Blase fehlen die, weil wir so wenig verdienen. Außerdem sollte ich schön die Klappe halten. Andere können sich gar kein Sushi leisten.
Einer der Köche reicht mir mein Brettchen über den Tresen, wortlos lächelnd. Sagt man hier Koch? Egal. Ich finde die drei Männer sehr cool, wie sie da stehen mit ihren Schürzen und Kopftüchern und schneiden und rollen. Japaner sind es übrigens nicht. Das haben wir nach Fukushima herausgefunden. Wir schickten eine Kollegin rüber, um nachzusehen, ob hier getrauert würde. Wurde aber nicht. „Kommen alle aus Vietnam“, sagte sie. CLAUDIUS PRÖSSER