SUSANNE LANG über DIE ANDEREN : Irrsinn, Herr Koschwitz?
Pssst! Das ewige Talent des Privatfernsehens ist wieder voll auf Sendung. Thomas Koschwitz, 41, hat ein Berliner Privatradio erobert und macht nun Primetime-Quote. Hat er am Ende noch was vor?
In manchen Plakatkästen tickt die Welt noch unkompliziert. Ein gelber Untergrund, ein Kopf und ein Name: „Thomas Koschwitz am Morgen!“ So werben echte Stars, dachte ich, als mir der kahle Kopf auf dem Plakat mit einem fröhlichen Grinsen dabei zusah, wie ich im Nieselregen auf ein öffentliches Verkehrsmittel wartete. Am unteren Rand des Plakats stand eine Frequenz, auf der mich Herr Koschwitz jeden Morgen zwischen sechs und zehn Uhr wach machen würde. Berliner Rundfunk. Wunderbar.
Seit der Show „Hamster TV“ auf Sat.1 Mitte der 90er-Jahre hatte ich den Fernsehkontakt mit Herrn Koschwitz eher vernachlässigt. Dabei war er doch das große Talent, damals, als er die ersten Late-Night-Show-Versuche prägte – als Vertreter von Thomas Gottschalk. Koschwitz, der Moderator aus der Generation Jauch und Co., das im Hessischen Rundfunk seine Karriere begann. Nach der TV-Late-Night ging es irgendwie bergab. Viele Show-Experimente, nie genügend Quote. Ein Fernsehschicksal aus der Zeit, als noch nicht gecastet wurde, sondern getalkt. Heute, ein paar Jahre und einem leichten Schlaganfall später, nach einem Dreivierteljahr mit Frühsendung, sieht der 50-Jährige trotzdem zufrieden aus. Ich gab ihm eine Chance. Am nächsten Morgen.
Und, aber hallo! Seine helle Stimme erklärte mir zunächst, wie viel Schlaf der moderne Mensch nun tatsächlich bräuchte. Im Anschluss bemühte sich eine nette Dame sehr um eine sprachwissenschaftliche Namensherkunftserforschung eines Anrufers. Viel Text, sehr viel Text. Ich war etwas benommen und wollte nur noch eines: Antworten. Sein Manager organisierte sofort ein Treffen, gleich nach der Morgensendung, im Sendehaus, das gleichzeitig eine Shopping Mall ist, mit dem durchaus auch vielversprechenden Namen „Das Schloss.“ Herr Koschwitz kam, wie man so sagt, schwungvoll an den Café- Tisch. Aktentasche. Dunkelblauer Rolli. Mantel über dem Arm. Begleitet von einem Pressesprecher. Warm geredet nach vier Stunden Sendung.
Warum, Herr Koschwitz, geben Sie sich den Stress einer Frühsendung, die doch für gewöhnlich den Nachwuchstalenten gehört?
„Ein Radiosender, der Geld verdienen muss, setzt in der Morgenschiene niemals auf Nobodys. Aus gutem Grund: Zur Primetime hören die meisten Menschen Radio. Dass ich so bekannt bin, hängt natürlich mit meiner Zeit beim Fernsehen zusammen.“
Was reizt Sie daran?
„Zuerst dachte ich mir: Das habe ich lange genug gemacht, früh aufstehen ist auch nicht meine Welt. Aber nun ja, ich liebe diesen Beruf, und wenn ich ihn so ausüben kann, wie ich möchte, also nicht von irgendwelchen Dudelfunkdirektoren in ein Sendeschema gezwungen werde, dann mache ich die Frühsendung gerne.“
Das Gegenteil von Dudelfunk, mitten im privaten Dudelfunk?
„Ich kann mich mit den Themen und Menschen auseinandersetzen, von denen ich glaube, dass sie wichtig sind; und ich kann mit ihnen reden, ohne nach einer Minute wieder die Klappe halten zu müssen. Das macht auch das Medium Radio wieder wertvoll.“
Insgesamt sieben Sendungen pro Woche gestaltet Koschwitz mittlerweile auf seiner Welle. Einmal am Freitagabend, Musik für Koschwitz und seine Generation, fünfmal wochentags am Morgen, einmal vormittags am Samstag. Mit nicht unprominenten Gästen: Jürgen Trittin, Roger Willemsen, Society-TV-Lady Sibylle Weischenberg – oder Robert De Niro. Irgendetwas musste geschehen sein bei diesem Thomas Koschwitz.
„Früher waren Sie doch eher für Trashformate bekannt?“, fragte ich.
„So, war ich das?“
Naja, nicht Ihr späterer Polittalk auf N24, aber „Hamster TV“?
„Ach, das wieder … Früher dachte ich eben, eine bestimmte Form von Karriere machen zu müssen. Daher bin ich immer davon ausgegangen, welche Sendung mich weiterbringen würde. Ich bin da einem gewissen Irrsinn aufgesessen, das kann man wohl sagen.“
Irrsinn?
„Nach dem Erfolg der ‚Nachtshow‘ hat man mich zu einem unglaublichen Helden des Fernsehens stilisiert – das macht einen auch so besoffen. Ich habe mir eingeredet, ein anderer zu sein, als ich zuvor war: jemand, der im Radio ganz pfiffige Interviews macht, mit einer gewissen Frechheit und auch Humor.“
Deshalb also „Hamster TV“? Es folgte eine aufschlussreiche Erklärung. Beim Radio sei es üblich gewesen, den Direktoren in Notfällen einen Gefallen zu tun und manche Sendungen zu moderieren, die nicht direkt ins Profil passen. Volksmusik, etwa.
„Bei ‚Hamster TV‘ war es eine ähnliche Situation,“ sagte er, „nur mit meinem neuen Chef Fred Kogel, der damals gegen Rudi Carrell und die ‚Hundeshow‘ eine Sendung setzen wollte. Später wurde ich von einem Werbechef mit dem Satz konfrontiert, dass ich nun ja für den Sender schwer zu halten sei.“ Bei Thomas Gottschalk oder Günther Jauch lief es anders, überlegte ich. „Hatten Sie Pech, Herr Koschwitz, oder die beiden Glück?“, fragte ich.
„Mit der Nachtshow habe ich ja eine großartige Karriere gemacht, aber was die beiden tatsächlich anders gemacht haben, ist, dass sie das Business besser begriffen haben. Man muss Ellbogen einsetzen.“
Günther Jauch würde das angesichts der ARD-Anstalt vielleicht anders sehen. Vielleicht aber käme ja bald Herr Koschwitz zurück ins Fernsehen?
Er grinste.
„Nur wenn ich eine Sendung hätte, in der ich das machen kann, was ich jetzt im Radio mache. Unterhaltung mit inhaltlicher Qualität.“ Sein Spin. U und E. Ein Running-Koschwitz.
Was reizt Sie daran? kolumne@taz.de Morgen: Adrienne Woltersdorf OVERSEAS