piwik no script img

■ SURFBRETTKleine Helfer im Schlafzimmer

Seit Michel Foucault wissen wir, daß das Zeitalter der Königin Victoria so prüde gar nicht war. Eigentlich hätten wir uns das immer denken können, auch ohne Foucault, den Franzosen, und was an Dialektik der Aufklärung eventuell noch fehlte, das liefern heute die neuen Puritaner in den USA ungefragt nach. Mann und Frau müssen ja nicht immer darüber reden, um es zu tun, weder am Computer noch im Fernsehen, und was Queen Victoria angeht, so hatte sie sogar einen mit Handbetrieb – einen Vibrator nämlich.

Der Griff war aus feinem Holz gedrechselt und mit einer Handkurbel ausgestattet. Ein Mechanismus im Innern ließ den ebenfalls fein gedrechselten hölzernen Knauf am anderen Ende des Gerätes sanft erzittern. Und nicht nur ihn natürlich, wenngleich es jederzeit gute medizinische Gründe für die Anwendung dieses Mittels gab, das in aller Unschuld half, muskuläre Verspannungen jeder Art zu lösen. Mußte die Queen deshalb über dieses kleine Geheimnis ihrer Schlafkammer berichten? Das mußte sie nicht, sie lebte im Viktorianischen Zeitalter und hatte ihre Ruhe.

Heut aber würde sie, wer weiß, vielleicht doch in aller Stille ihren königlichen Laptop einschalten, amused indeed, beim Provider ihrer Majestät einloggen und dann eintippen: „http://www.good vibes.com/museum.htm“. Doch nein, „museum.htm“ würde sie weglassen, dieser Teil der Adresse ist für die Nachfahren der Queen reserviert. Sie werden ihre Freude haben. Nicht nur Königin Victoria hatte einen, auch Bonnie und Clyde, Hemingway und Elizabeth Arden. Elektrische Modelle wurden schon ab 1816 gebaut, batteriebetriebene ab 1843.

Das Museum der Vibratoren steht in der realen Welt in San Francisco. Joani Blank hat es gegründet, sie kann jederzeit über Herkunft und Verwendung ihrer Sammmelstücke Auskunft geben. Geld allerdings verdient sie mit dieser historischen Leidenschaft nicht. Joanie Blank führt seit zwanzig Jahren einen einträglichen Laden für all die Dinge, die den Wissenden von heute gefallen. Seit kurzem ist sie im Internet erreichar unter ebenjener Adresse „goodvibes.com“ – ohne den Zusatz für das Museum. Nur: Wo beginnt der Fortschritt? Überraschenderweise ist die edle, funktionale Holzform der britischen Königin allgemein einem recht plumpen Realismus gewichen, aus echtem Latex, wenn es etwas mehr kosten darf. Muß man darüber reden? Über die spezielleren Modelle für Männer, die den Genuß ebenso zu schätzen wissen? Nein, Viktorianer bestellen online.nh

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen