piwik no script img

■ SURFBRETTDer Ernst des Trickfilms

Schwer, sehr schwer hat es der Animationsfilmfreund. Von Computeranimationen in Spielfilmlänge abgesehen, räumen Film- und Fernsehzeitschriften dem gezeichneten, gekneteten oder mit Konservendosen inszenierten Werk selten Platz ein. Vor allem aber wird der Animationsfilm hierzulande immer noch als Kinderfilm gehandelt.

In den USA, wo einst jedes große Hollywoodstudio eine eigene Trickfilmabteilung unterhielt, hat die Animation einen anderen Stellenwert – nicht zuletzt deshalb, weil die großen Zeichentrickproduktionen der letzten Jahre wirtschaftlich sehr erfolgreich waren. Die Branche erlebte einen regelrechten Boom. Inzwischen arbeiteten so viele Studios an neuen Filmen, daß begabte Zeichner sich bei zwei verschiedenen Firmen verpflichteten, um in Tages- und Nachtschichten ein Doppelprogramm zu absolvieren.

Vor diesem Hintergrund entstand 1995 das Animation World Magazine. Ausschließlich im Internet unter http:// www.awn.com/ abrufbar – es gibt keine gedruckten Ausgaben –, widmet sich die Trickfilmzeitung seither Monat für Monat verschiedenen Schwerpunktthemen, von der Entwicklung der Computeranimationsindustrie bis zu Themenparks. Die ersten Nummern konnten jedoch kaum überzeugen. Zu sehr richteten sie sich am amerikanischen Markt aus und ließen den einen oder anderen Tycoon seine langweilige Erfolgsgeschichte erzählen.

Inzwischen jedoch hat sich die Autorenschaft verändert. Neben Fachleuten wie dem italienischen Animationsfilmhistoriker Giannalberto Bendazzi tragen nun auch unabhängige Filmemacher wie der britische Puppenanimator Barry Purves dazu bei, das Animation World Magazine lesenswerter zu machen. Purves Bericht über seine Zusammenarbeit mit Tim Burton für das Alienspektakel „Mars Attacks!“ sei jedem empfohlen, der die gegenwärtige Euphorie über die Computeranimation teilt. Mein bisheriger Lieblingsbeitrag aber stammt von einem Laien: Nachdem Animation World Magazine die Disney-Produktion „Der Glöckner von Notre Dame“ so über den grünen Klee gelobt hatte, wie es nicht einmal die McDonald's Kino News oder Cinema fertigbrächten, erschien in der Januarausgabe eine Rezension des französischen Victor-Hugo-Experten Arnaud Laster. Der Literaturprofessor nahm den „Glöckner“ Stück für Stück auseinander und lieferte so den Beweis, daß der Trickfilm eben nicht nur etwas für Kinder ist. Carola Rönneburg

briefe@taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen