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Archiv-Artikel

STUDI-DEMOS: KEIN BREITES BÜNDNIS MIT DEN SOZIALEN GRUPPEN Protest in eigener Sache

Als die Studierenden am Wochenende auf die Straßen gingen, hieß eine Parole: „Hochschüler aller Länder – vereinigt euch!“ Der Spruch knüpft an den Aufruf an, mit dem die Proletarier alle Länder in der präkommunistischen Ära zur Revolution schreiten sollten. Wie so vieles in den Studentenstreiks dieser Tage enthält der Satz aber auch seine Ironie. Nach den Studi-Demos von Berlin, Frankfurt am Main und Leipzig lässt sich eines sicher sagen: Die Studenten sind keine revolutionären Subjekte, ja nicht einmal reformistische Akteure, sondern im Wesentlichen Vertreter ihrer Interessen. Das ist nicht sehr anspruchsvoll, aber es ist okay.

Die Botschaft der Bürgerkinder lautet: Lasst uns brav zu Ende studieren, nehmt uns keine Studiengebühren ab, dann bleiben wir auch friedlich. Was sollte man anderes erwarten? Die Klientel der heutigen Unis sind die sich reproduzierenden Bildungseliten: die Kinder der Beamten, des Angestelltenadels und der Selbstständigen. Arbeiterkinder sind kaum dabei. Die jungen Leute stellen fest, dass sie die Seminarscheine nicht so schnell bekommen, wie es für einen Aufstieg nötig ist. Weil sie bereit sind, sich für Erfolg und Geld anzustrengen, ärgert sie das natürlich – also „streiken“ sie für ihre Interessen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Eine Mär ist hingegen, dass es gelungen sei, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und eben die Studenten in einem Bündnis gegen „Bildungs- und Sozialabbau“ zu vereinen. In Berlin fehlten diese sozialen Gruppen weitgehend – nur ein paar Funktionäre ließen Parolen herabrieseln, die an den Studis abtropften wie der Regen an ihren teuren Windjacken. Es ist richtig, dass die soziale und die Bildungsfrage für die Wissensgesellschaften neu gestellt werden müssen. Aber es ist falsch, dass dies mit den Bündnissen der sterbenden Versicherungsgesellschaft machbar wäre. Wer für möglichst viele junge Leute eine möglichst exzellente Bildung will, braucht extrem viel Geld. Dass die Opfer des Sozialabbaus wegblieben, zeigt, dass sich der Verteilungskampf nicht mit Bündnisparolen lösen lässt. CHRISTIAN FÜLLER