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STRESS Selbst für gestandene BlattmacherInnen ist die griechische Tragödie derzeit sehr nervenaufreibendKampf gegen den Ticker

Von Klaus Hillenbrand

Griechenland kann einem derzeit schlechte Laune machen. Etwa morgens um sieben, wenn man als Koordinator der Schwerpunkt-­Seiten aus dem Frühnachrichten im Radio erfährt, dass all die sorgfältigen Überlegungen für die morgige Ausgabe der taz ein Fall für den Papierkorb geworden sind – weil über Nacht der griechische Premier ein Re­ferendum angekündigt hat und Europa ­deswegen kopfsteht.

Die Planung einer Tageszeitung ist ohnehin schon ein Ding des fast Unmöglichen, weil es dabei gilt, gänzlich widersprüchlicheAnforderungen unter einen Hut zu bringen: Da ist zum einen das besondere, außergewöhnliche Thema, dass nach Publizität ruft und nicht in ein paar Stunden recherchiert und geschrieben werden kann, zum anderen der besondere Blickwinkel, den wir von unseren Kollegen erbitten, um nicht den Einheitsbrei der Blätter mitzurühren, und schließlich zum Dritten die Aktualität, der wir uns verpflichtet fühlen und die bisweilen überfallartig auf uns Produzenten und Planer hereinbricht. So wie gerade jetzt.

Griechenland kann derzeit ­richtig spannend sein. Der morgendliche Blick auf die Agenturmeldungen, die Onlinemedien, auf BBC und die gedruckte Konkurrenz macht schnell deutlich, dass es sich hier nicht nur um die hundertste Wendung eines Dauerproblems handelt, sondern um eine existenzielle Krise in Europa und Hellas.

Während ein Großteil der Re­daktion noch auf dem Weg ins Büro ist, verständige ich mich mit der Onlinekollegin Verena Schneider und dem Seite-1-Macher Gereon Asmuth, die das genauso sehen. Unser Brüsseler Korrespondent Eric Bonse gibt telefonisch eine erste Einschätzung zur Lage ab, und auch Jannis Papadimitriou in Athen ist bereits in der Leitung. Erste, noch vage Absprachen werden getroffen.

Europafachredakteur Georg ­Baltissen trifft ein und meldet, auch die freie Mitarbeiterin ­Theodora Mavropoulos in Athen stehe für Texte zur Verfügung. Wir brauchen Stimmen aus dem Inland zur Krise, doch warum geht der Berliner Parlamentskorrespondent nicht ans Telefon? Chefredakteutrin Ines Pohl trifft ein und beteiligt sich an der Diskussion, die Ressortleiter schauen vorbei.

Kurzes Briefing – das sollten wir machen, das steht bisher fest, das ist völlig unklar, hier hakt es. Bekommen wir einen Frühkommentar für taz.de? Wer schreibt mit welcher These? Auf der großen Konferenz um halb zehn entsteht ein erstes Gerüst. Die Zahl der Griechenlandseiten wird verhandelt. Kollegen kommen mit neuen Vorschlägen, der Seite-1-Redakteur rätselt noch über seine Aufmachung.

taz-Griechenland­koordinator, ein herausfordernder und verflucht spannender Job

Und wir brauchen dringend personelle Verstärkung in Athen. Ines Pohl ruft den taz-Reporter Christian Jakob an, der bucht den nächsten Flug. Neue Meldungen erfordern Umplanungen. taz.de benötigt dringend fertige Texte. Bekommen wir Wagenknecht zum Interview? Parlamentskorrespondent Tobias Schulze hat den Auftrag.

Gegen Mittag ist die Produktion der Seiten in Gang gekommen, Gereon Asmuth hat eine geniale Titelidee, ein Kommentar muss aber noch geschrieben werden, und der Ticker spuckt beständig neue Eilmeldungen aus. Noch mal umplanen. Und dann, gegen 17 Uhr, wenn die erste Fuhre für den Druck fertig ist und die Onlineredaktion noch auf Hochtouren arbeitet, schaue ich die Seiten an und bin recht zufrieden. Gut, ein Text muss noch mal aktualisiert werden, und diese Überschrift war vielleicht doch eher eine Notlösung.

Über Nacht wurde ich Griechenlandkoordinator, ein nervenaufreibender und herausfordernder Job. Aber auch verflucht spannend!

Klaus Hillenbrand leitet zusammen mit Gereon Asmuth das Ressorts taz.eins

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