STÖRUNG IM SENDER-ABLAUF BEI RADIO BREMEN: Reise ohne Wiederkehr
"buten un binnen"-Redaktionsleiterin Silke Hellwig wird aus dem Urlaub nicht an ihren Arbeitsplatz zurück kehren: Radio Bremen trennt sich von ihr, kurz nachdem Programmchef Dirk Hansen ihren Vertrag um fünf Jahre verlängert hatte
Was sich in den vergangenen Monaten hinter den Kulissen des Radio-Bremen-Fernsehmagazins "buten un binnen" ereignete, will so recht nicht passen zu Johann Sebastian Bachs stiller Kantate "Jesus bleibet meine Freude", die seit jeher zum Sendebeginn am Vorabend erklingt.
Äußerst disharmonisch ging es dort zu, es soll "mehrfach richtig gerappelt" haben, heißt es im Sender, insbesondere soll Redaktionsleiterin Silke Hellwig "gerne mal explodiert sein", wenn jemand nicht so wollte wie sie. Von einer Basta-Attitude ist die Rede, mit der immer weniger Redaktionsmitglieder klar kamen. Kein Zufall, dass alleine im zurückliegenden halben Jahr um die zehn ehemals wichtige Mitarbeiter das Weite suchten. Bei den - intern "Beerdigungsfeiern" genanten - Trinkgelagen zum Abschied wurde mitunter schon gewitzelt, es sei wohl das erste Mal, dass eine Mannschaft komplett ausgewechselt wird und nur der Trainer - in dem Fall: die Trainerin - bleiben darf.
Nun ist es auch für sie vorbei, gestern wurde bekannt, dass Silke Hellwig ihre Tätigkeit bei "buten un binnen" beendet hat. Sie weilt im Urlaub, zurückkehren wird sie nicht. Hellwig - gelernte Tageszeitungsjournalistin - stand seit Anfang 2007 an der Spitze der Redaktion.
Die "Causa Hellwig" könnte sich zu einer "Causa Hansen" auswachsen. Denn Programmdirektor Dirk Hansen war es, der trotz des stark eingetrübten Klimas in der "buten un binnen"-Redaktion an Hellwig festhielt und ihren Vertrag um fünf Jahre verlängerte - mitten in der Hochzeit des Konflikts, als sich Redaktion und Hellwig auf Drängen des seit August 2009 amtierenden Intendanten Jan Metzger zu einer Mediation zusammen gefunden hatten.
Als ausgebildeter Coach weiß Metzger, dass unter professioneller Anleitung manche Gräben zugeschüttet werden können, aber im Falle Hellwig und "buten und binnen" war es wohl zu spät, was Beobachter auch auf Hansens entschlossen durchgedrückte Vertragsverlängerung zurückführen. Das wurde, so heißt es, empfunden, als solle das Mediationsverfahren und das Mühen um einen gemeinsamen Weg konterkariert werden. "Da wurden einseitig Fakten geschaffen", sagt einer, "damit stand die Mediation unter keinem guten Stern mehr". Der zweite Versuch wurde dann auch abgebrochen; nur eine kleine Minderheit war dafür, es weiter zu probieren.
Hansen, der im Urlaub weilt und nicht zu erreichen war, habe stur an Hellwig festgehalten, wohl weil er ihre Arbeit auch geschätzt habe. Das wiederum soll ursächlich auch damit zusammen tun gehabt haben, dass die Kollegin gut im Sparen war, was im notorisch klammen Sender stets nicht unwichtig ist.
Nur: Was hilft der gut gepflegte Etat, wenn sich in der Redaktion und der alltäglichen Arbeit größte Probleme auftun? Einer sagt, Hellwig habe alle negativen Eigenschaften an den Tag gelegt, "die man sonst nur Männern in Führungspositionen nachsagt". Nämlich: "Mitarbeiter wurden mit Verweis auf bald auslaufende Verträge unter Druck gesetzt", es wurden "unsinnige Entscheidungen getroffen und durchgeboxt", mal habe es Zuckerbrot gegeben, oft aber die Peitsche, "und immer ging es um ihr Ego". Und das in einer Redaktion, durch die zumindest noch Reste jenes Geistes wehten, der "buten un binnen" einst zur Spitzenkraft der ARD-Regionalnachrichtensendungen gemacht hatte: Kollegialität, Kreativität, ein stets streitlustiges, aber faires Miteinander. Hellwigs "sehr eigensinniger Führungsstil", heißt es, habe da einen "neuen Ton geprägt", der viel zerstörte.
Intendant Metzger, der sich zur Personalangelegenheit Hellwig nicht äußern wollte, dürfte den Konflikt geerbt haben; so richtig brach er offenbar erst aus, als Ex-Intendant Heinz Glässgen gegangen war. Da hat der hausinterne Dauerstreit um und mit Glässgen wohl so viel an Aufmerksamkeit absorbiert, dass andere Streitereien nicht auffielen.
Dass Metzger ausgerechnet jetzt durchgegriffen hat, wo Hansen Urlaub hat, könnte auf Dauer noch heikel werden für die Zusammenarbeit auf der Chefetage. "Hansens Stern dürfte nicht gestiegen sein", sagt einer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!