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Archiv-Artikel

STEFFEN GRIMBERG DER WOCHENENDKRIMI Funktionaler Soziopath

Dass Kleinode am besten in der kleinen Form glänzen, ist gute taz-Tradition. Deshalb nun so viel Lobhudelei, wie irgend in 64 Zeilen passt: Es gibt noch gutes Fernsehen, großartiges sogar, das Traditionen nicht verleugnet, Trends setzt, Zukunft spürbar macht – und dabei grandios unterhält. Es kommt – wieder mal – aus Großbritannien und hat eine berühmte Adresse: 221b Baker Street. Hier wohnte bekanntermaßen Sherlock Holmes, allein geht es in der bislang dreiteiligen BBC-Produktion, die die ARD im Sommerloch versendet, nicht um viktorianischen Plüsch.

„Sherlock“ ist cutting-edge 21. Jahrhundert, und auch der Afghanistankrieg, aus dem Dr. Watson (Martin Freeman) zurückkehrt, ist so real wie gegenwärtig. Noch nie war Holmes dabei so kalt und cool: Benedict Cumberbatch spielt den Detektiv als autistisch-arroganten Nerd, der wie im Original von Arthur Conan Doyle den hilflosen Beamten von Scotland Yard assistierend auf den Nerv geht. Als Inspector Lestrade vor der Presse seine Ermittlungsergebnisse vorstellt, bimmeln alle Mobiltelefone mit ein und derselben SMS: „Falsch“ steht da nur – und beim Inspector ein „Sie wissen, wo Sie mich finden, S. H.“.

Im ersten Film „Ein Fall von Pink“ geht es um eine Serie von sinnlosen, aber irgendwie doch zusammenhängenden Selbstmorden in London – die Holmes inklusive vieler Taxifahrten souverän löst. Und sich selbst nicht von der messerscharfen Analyse ausnimmt: „Ich bin kein Psychopath, ich bin ein hochfunktionaler Soziopath“, wirft er dem motzenden Chef der Spurensicherung an den Kopf: „Wie langweilig muss es in euren kleinen Gehirnen sein!“

Was passiert also, wenn man wie bei einer Deduktion des berühmten Detektivs aus dem heutigen TV-Krimischaffen das keinen Sinn Ergebende, Unplausible, Belanglose, schon x-mal Gesehene, Langweilige weglässt? Es bleibt: „Sherlock“.

■  „Sherlock – Ein Fall von Pink“, So., 21.45 Uhr, ARD; weitere Filme: 31. 7. und 7. 8., 21.45 Uhr, ARD