START MIT QUERELEN: Der Linken düstrer Regentag
Gestern konstituierte sich die Links-Fraktion und wählte Kristina Vogt zur Vorsitzenden. Überschattet wurde dies vom Parteiaustritt der Ex-Abgeordneten Inga Nitz
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Angespannt war die Stimmung der kleinen Gruppe von Linksparteilern gestern morgen im Börsenhof-Gebäude. Zusammengekommen waren sie, um sich als neue Bürgerschaftsfraktion zu konstituieren. Die Rechtsanwaltsgehilfin und Spitzenkandidatin Kristina Vogt wurde für vorerst zwei Jahre zur Fraktionsvorsitzenden gewählt, vertreten wird sie vom Finanzpolitiker Klaus-Rainer Rupp und dem Neu-Abgeordneten Cindi Tuncel - für zunächst ein Jahr.
Doch die Stimmung bei Fraktion und dem ebenfalls versammelten Landesvorstand war eher mies. Am Regenwetter lag das nicht. Vielmehr sahen sich Landessprecher Christoph Spehr, die Abgeordnete Claudia Bernhard und vor allem Rupp erneut in der Kritik.
"Infame Vorwürfe", hieß es dazu von ihnen. Um was es ging, ließ sich nur erahnen: Die bisherige Linken-Abgeordnete Inga Nitz hatte am Morgen ihren Parteiaustritt bekannt gegeben - und dabei heftig zurück getreten. Die Partei bestehe "mehrheitlich aus Menschen, die ihr persönliches Geltungsbedürfnis über die politischen Ziele stellen", schrieb sie in einer öffentlich verbreiteten Abschiedserklärung.
Zudem hatte der Fraktionsgeschäftsführer Leo Schmitt erneut öffentlich behauptet, dass Klüngeleien mit kurdischen Neumitgliedern Klaus-Rainer Rupp zu dessen hohem Listenplatz verholfen hätten.
Dass ausgerechnet Schmitt dies sagt, wiegt schwer. Denn neben der Fraktionsgeschäftsführung ist er auch Vorsitzender der Finanzrevisionskommission der Partei. Die prüft zur Zeit, unter welchen Umständen Neumitglieder bei der Linken eingetreten sind.
Angeblich sind von 90 Eintritten zwischen Juli und Dezemeber 2010 die Hälfte kurdischstämmig. Überdurchschnittlich viele. Ein abgekartetes Spiel soll das gewesen sein, an dem auch die gescheiterte Bürgerschaftskandidatin Songül Ergün-Bulut beteiligt gewesen sein soll.
Von "Beutegemeinschaften im Kampf ums Geld" spricht auch Nitz. Ihr seien "Hasstiraden" und "Mobbing" begegnet, der Partei sprach sie "jegliche politische Kompetenz" ab. "Nach der Wahlniederlage hätte der Landesvorstand zurücktreten müssen", sagte Nitz. Stattdessen werde die Fraktion "diffamiert, um selbst eine bessere Ausgangsposition für möglichst gut bezahlte Posten zu bekommen."
Diffamierung hingegen sieht seinerseits Landessprecher Christoph Spehr als Motiv für die neuen Vorwürfe. "Es ist der Versuch, Leute gezielt zu schädigen", sagt er. "Über den Antrag auf Rücktritt des Landesvorstands ist auf dem Parteitag am Sonntag entschieden worden", sagt Spehr. Dort gehörten solche Entscheidungen auch hin. Spehr wurde dabei gestützt: 22 Delgierte hatten für den Rücktritt, 37 dagegen gestimmt.
Auch die Kandidaten-Abstimmung sei bereits zig mal nachbereitet worden, die Vorwürfe entkräftet, sagt er. Darin ist er sich mit Rupp einig.
Trotz aller Querelen will die Fraktionschefin Vogt sich nun der Politik widmen: Dem Verbot von Atomtransporten durch die Bremischen Häfen und einer Stadtteilschule für den Bremer Westen. Außerdem will die Fraktion mit neuen Stadtteilbüros künftig stärker in den Quartieren präsent sein.
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