STAATLICHE BAUPROGRAMME SIND KEIN ALLHEILMITTEL GEGEN DIE KRISE : Beton ohne Verstand
Das neue Zauberwort heißt „Investieren“. An keinem Punkt sind sich Politiker aller Parteien und Ökonomen aller Richtungen derzeit so einig wie an diesem: Der Staat soll in der Krise bauen, bauen, bauen. Er soll Schulen sanieren, Wärmedämmung fördern – und vor allem die Landschaft mit neuen Autobahnen durchziehen. Schließlich halfen die Betonpisten schon die Wirtschaftskrise der Dreißigerjahre zu überwinden. Ungeachtet des politischen Regimes übrigens: Auch in den USA setzte Franklin D. Roosevelt nicht zuletzt auf Straßenbau.
Über die Sinnhaftigkeit der Projekte ist damit allerdings noch nichts gesagt. Es mag durchaus richtig sein, lange Vernachlässigtes wie etwa die ICE-Trasse von Berlin nach München jetzt endlich voranzubringen. Bei mancher Autobahn durch strukturschwache Gebiete hingegen sollte die Frage erlaubt sein, ob sie in der staatlichen Investitionsplanung womöglich ganz zu Recht auf einem der hinteren Plätze rangierte.
Dass es mit der Parole vom Investieren nicht so einfach ist, zeigt die neue Debatte über Aufbau Ost und Abbau West. Es ist in der Tat kaum einzusehen, warum etwa die Bewohner der westdeutschen Wirtschaftsmetropolen auf veralteten Autobahnen im Stau stehen, während man in den meisten Gegenden Ostdeutschlands auf leeren Betonpisten dahinbrausen kann. Die Frage nach Prioritäten und sinnvollen Projekten lässt sich aber nicht pauschal beantworten, sondern immer nur im Einzelfall. Leider wird aber genau das nicht passieren. Nach dem Prinzipien des deutschen Föderalismus regiert bei allen Investitionsprogrammen vor allem der Regionalproporz.
Investitionen in Beton und Asphalt sind für die Politik aus vielen Gründen attraktiv. Sie verursachen, anders als staatliches Personal, zunächst kaum Folgekosten – denn die spätere Unterhaltung wird gern vergessen. Für sie darf sich der Staat problemlos verschulden. Und sie bringen sichtbare Erfolge, vor allem wenn Spitzenpolitiker zur Eröffnung anreisen. Nirgends aber lässt sich auch so viel Geld verschleudern wie im Baubereich. Nach aller historischen Erfahrung beleben staatliche Bauprogramme leicht zweierlei: Korruption und Preisanstieg. RALPH BOLLMANN