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Archiv-Artikel

SS-OPFER: DAS BUNDESVERFASSUNGSGERICHT MACHT ES SICH ZU BEQUEM Rechtsfrieden braucht Wiedergutmachung

So viel Selbstgerechtigkeit wird sich noch rächen. Wie schon die Vorinstanzen hat jetzt auch das Bundesverfassungsgericht Schadensersatz für ein Massaker abgelehnt, das die SS 1944 in dem griechischen Dorf Distomo verübte. Juristisch ist der Karlsruher Beschluss zwar in Ordnung, Rechtsfrieden wird er aber nicht schaffen.

Die Regel, dass nach einem Krieg nicht Individuen Schadensersatz verlangen, sondern die beteiligten Staaten Reparationszahlungen aushandeln, ist geltendes Völkerrecht. Und auch vernünftig: Eine Nachkriegssituation darf nicht durch unzählige Privatprozesse überlagert werden. Das Eintreiben der daraus entstehenden Forderungen würde auf Jahrzehnte das Entstehen einer neuen friedlichen Nachbarschaft belasten. Das Völkerrecht denkt hier – wie meist – sehr realpolitisch.

Deutschland allerdings ist sehr trickreich mit dieser Regel umgegangen. Gegenüber vielen Staaten hat es nach 1945 die Zahlung von Reparationen verweigert, weil noch kein Friedensvertrag bestand. Im Rahmen der Wiedervereinigung schloss die Bundesrepublik 1990 dann mit den Ex-Hauptkriegsgegnern den Zwei-plus-vier-Vertrag und erklärte anschließend alle Reparationsforderungen für erledigt. Länder wie Griechenland, die jahrelang unter deutscher Besatzung gelitten haben, wurden gebeten, nun nach vorne zu schauen.

Auch das Bundesverfassungsgericht schließt jetzt die Augen vor dieser Verantwortungs-Verweigerung und verweist auf Entschädigungsleistungen aus den Sechzigerjahren – obwohl die Richter sicher wissen, dass dabei die Opfer wahlloser Erschießungen durch die Waffen-SS leer ausgingen.

Mit der gestrigen Entscheidung ist zwar der deutsche Rechtsweg zu Ende, aber das Verfahren wird im Ausland weitergehen – und am Ende letztlich vor europäischen Gerichten landen. Und dort sollte Deutschland mehr vortragen als die Tatsache, dass man ja für andere, insbesondere jüdische Opfer schon recht viel gezahlt hat. Früher oder später müssen Deutschland und Griechenland doch noch über eine politische und finanzielle Geste der Wiedergutmachung verhandeln. CHRISTIAN RATH