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Archiv-Artikel

SPRINGER, JONY, ZDF, GAMMELWASSER, MEDIENKRISE, BÖHME Wie ein wildes „Stierchen“ oder: Die Hessen sind schuld

Liebe taz-Medienredaktion, es gibt Parameter, die dafür stehen, dass „man es geschafft hat“: bei Männern, wenn der Chef sie ins Bordell einlädt, bei Ehefrauen, wenn der Mann sie trotz der 20 Jahre jüngeren Geliebten nicht verlässt. In meinem Fall ist es ein Anruf. Ein Anruf von der Bild-Zeitung. „Stimmt es“, wollte letzte Woche ein Mann aus der Berliner Springer-Zentrale wissen, „stimmt es, dass Jony Eisenberg Sie verklagt?“ Als ich das hörte, war ich verzückt. Einerseits. Andererseits fühlte ich augenblicklich die Katharina-Blum-Gefahr heranschleichen, das Gegenstandwerden von schlimmen Inhalten. Also sammelte ich mich in Sekundenbruchteilen, denn wie bei windigem Telefonmarketing darf man keine noch so kleine Interpretationslücke in der Aussage entstehen lassen, und sprach wie zu einem Kind, das sehr blöd ist in der Birne: „Nein, das stimmt nicht.“ Meine erste Bürgerpflicht erfüllend, teilte ich dann noch mit, dass ich nicht willens sei, mit der Bild zu sprechen, wiederholte die Verneinung deutlich und legte auf. Seither weiß ich, ich habe es geschafft. Was, das ist nicht so klar.

Wesentlich klarer ist hingegen, wer die Schuld am Brender-Debakel trägt, das tatsächlich ein Demokratiedebakel ist. Die Hessen sind es. Dieses babbelnde, rotbäckige Volk, das gammeliges Wasser mit Apfelgeschmack trinkt, weil es sich keinen anständigen Schnaps leisten kann. Hätten die den Koch nicht (mehrfach!) gewählt, wäre das ZDF jetzt nicht Austragungsort für Demokratieabbau. Dann wäre „Stierchen“, wie der Berlusconi vom Main sich angeblich von seiner Frau nennen lässt, jetzt allenfalls Bürgermeister bei Bitterfeld und könnte die Grünkohlprinzessin küren.

Unter den taz-Leserinnenbriefen ragte dieser Tage das Schreiben von Monika Krause aus Neuss hervor. Sie regte an, „journalisten zu motivieren, den vakanten chefredakteursposten von herrn brender beim zdf nicht zu besetzen“. Na, das nenn ich doch mal eine Idee! Und eine Haltung! Und weil es in diesen Tagen so wenig davon gibt, gehe ich jetzt mal mit gutem Beispiel voran und solidarisiere mich: Ich verzichte auf den Posten.

Das fällt mir natürlich nicht ganz leicht, zumal die taz immer noch schlecht zahlt, aber es gibt Dinge, die höher zu bewerten sind als das eigene Wohlergehen, die Karriere und das Ansehen. Und die Möglichkeit, dem schönen Claus ganz nah zu sein und Peter Hahne bei der Toupetauswahl zu beraten. Solidarität zu zeigen mit Geschassten, Entlassenen und all jenen, die sich auflehnen gegen die Journalismusabbaupolitik der Verlage und Rundfunkanstalten. In diesem Zusammenhang gilt es aber auch, sich abzugrenzen. Abzugrenzen von Menschen, die komische Dinge sagen. Von Spiegel-Online-Chefredakteur Rüdiger Ditz etwa, der vor Leipziger Medienstudenten sagte: „Es gibt keine Medienkrise.“

Komische Dinge sagt auch Hartmut Palmer auf Spiegel Online, dessen Trauer um Erich Böhme ihm ein wenig die klare Sicht vernebelt zu haben scheint. „Solche Sätze wird man in deutschen Zeitungen künftig nicht mehr lesen können“, schreibt der Autor und zitiert Böhme: „Hinter der Bordwand scheppert es gewaltig. Kapitänin Angela und Mannschaft liegen sich wegen des Kurses in den Haaren.“ Wir sehen jetzt mal über das fehlenden „ihre“ hinweg und hoffen, solche Sätze wie die von Palmer nie wieder lesen zu müssen. Denn seine Behauptung ist schlicht nicht wahr. Was hiermit bewiesen wäre: „Es rumst im Karton. Die Klassenbeste Angela und die Jungs aus der letzten Reihe raufen sich darum, wer die Kreide aufheben darf.“

Und damit zurück nach Berlin!

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