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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Der SV Luftfahrt ringt um den Klassenerhalt

RINGEN Lange wollte der Berliner Club nicht in die erste Liga – zu teuer. Jetzt ist er plötzlich drin

Der Abend war schon weit fortgeschritten, als Swen Lieberamm sich entschloss, doch noch etwas Wind zu machen. Der Trainer des SV Luftfahrt Ringen, der zuvor nahezu regungslos mit angesehen hatte, wie seine Athleten sieben Duelle in Serie verloren, ergriff plötzlich das Handtuch. Sein Schützling Rasul Hadjimagomedov stand vor dem ersten Sieg des Abends und Lieberamm fächelte ihm in einer Kampfpause Luft zu. Aus den Lautsprecherboxen der Sporthalle Adlershof erschallte triumphierend der Rex-Gildo-Klassiker „Fiesta Mexicana“. Doch das resignierte Heimpublikum ließ sich am Samstagabend auch von dem Gassenhauer nicht mehr aus der Reserve locken.

Trotzdem gelang dem Russen Hadjimagomedov der erste Erfolg. Er gewann sein Duell gegen Sebastian Krieg (4:0). Am Ende unterlagen die Berliner dem RV Thalheim aber deutlich mit 10:27 Punkten. „Das habe ich schon vorher so erwartet“, sagte Trainer Lieberamm danach erstaunlich gelassen. Denn immerhin rangierten die Gäste vor dem Abstiegsduell nur einen Tabellenplatz in der Ringerbundesliga vor dem SV Luftfahrt Ringen. „Die liegen uns einfach nicht“, erklärte Lieberamm.

Diese Schicksalsergebenheit am Samstag erinnert an die Grundhaltung des Vereins in der Vergangenheit. Jahrelang fand sich der Klub mit seiner Zweitklassigkeit ab. Die Parole lautete: „Bloß nicht aufsteigen.“ Bundesliga, so hieß es, könne man sich wegen des finanziellen Mehraufwands gar nicht leisten.

Vor drei Jahren kam man aber zu dem Schluss, dass der Verein eine Vision brauche. „In der zweiten Liga blieben zuletzt auch die Zuschauer aus“, erzählt Finanzchef Marco Mütze. Man intensivierte die Sponsorenakquise und bewarb sich um Gelder aus öffentlichen Fördertöpfen.

Den sportlichen Aufstieg verpasste man zweimal knapp. Aber in dieser Saison rückte man im letzten Moment, im April, in die erste Liga nach, weil ein anderer Erstligist sich aus finanziellen Gründen zurückzog. Dieser unvorhergesehene Aufstieg hat das Wagnis Bundesliga für den SV Luftfahrt Ringen zusätzlich erschwert. „Drei unserer besten Ringer sind zuvor schon zu anderen Erstligisten gewechselt, die konnten wir nicht mehr zurückholen“, berichtet Mütze. Man musste ausländische Athleten verpflichten.

Dabei ist man beim SV Luftfahrt besonders stolz darauf, dass man regelmäßig eigene Nachwuchsathleten nach oben führt. Lieberamm: „Bei unserem heutigen Gegner Thalheim kommt das komplette Team von außerhalb zusammen. Wir sind dagegen mit einem Kader angetreten, aus dem sieben von zehn bei uns trainieren.“ In der Bundesliga seien Legionärsgruppen eher die Regel.

Derweil ist der SV Luftfahrt, der einst aus der DDR-Betriebssportgemeinschaft Interflug hervorgegangen ist, immer noch damit beschäftigt, den vorgesehenen Zweitligaetat von 40.000 Euro um 15.000 Euro aufzustocken – etwa mit einer vereinsinternen Spendenaktion. In der Eliteklasse will man unbedingt bleiben. Lieberamm: „Wir kämpfen jetzt in einer größeren Halle, haben mehr Zuschauer und mehr öffentliche Aufmerksamkeit.“

Damit das so bleibt, müssen die Berliner Ringer mindestens noch zweimal gewinnen. Lieberamm ist überzeugt, dass das gelingt. Eine Woche vor dem Saisonende, am 29. November, kommt es zum wahrscheinlich entscheidenden Abstiegsduell zwischen Berlin und Frankfurt Oder/Eisenhüttenstadt. „Entweder wir oder die müssen dann in die Relegation. Für all die, die Krimis mögen: Besser geht es nicht.“ JOHANNES KOPP