SPD: Das Glaubwürdigkeitsproblem
Die Sozialdemokraten lamentieren über ihre Niederlage bei der Bundestagswahl, zweifeln aber kaum am Parteiprogramm oder dem eigenen Führungspersonal.
![](https://taz.de/picture/333017/14/carsten_sieling_parteitag007.jpg)
Am Ende siegt die innerparteiliche Geschlossenheit. Nur drei der fast 150 Delegierten der Bremer SPD werden sich am Ende eines langen Landesparteitages nicht hinter ihren Vorstand stellen. Die Personaldebatten bleiben aus, nicht einmal ein Antrag, künftige Landeschefs sollten nicht auch im Bundestag sitzen, wird abgestimmt. Sondern an die Ausschüsse verwiesen. Er wäre wohl abgelehnt worden. Nein, keine Kritik am Parteichef im Bundestag, Uwe Beckmeyer.
Dabei wird in der Analyse des Ergebnisses der Bundestagswahl nicht an großen Worten gespart. Der frühere Landesvorsitzende Horst Isola spricht von der "größten Niederlage seit 1893", der neu gewählte Fraktionschef Björn Tschöpe nennt sie "krachend", spricht von einer "Zäsur". Sein Vorgänger Carsten Sieling, der jetzt im Bundestag sitzt, sieht die gesamte Idee der "Neuen Mitte" als "gescheitert" an. Nur der Unterbezirksvorsitzende Angelo Caragiuli will lieber nur von einem "Denkzettel" reden.
Die Wahlniederlage - 23,0 Prozent der Stimmen im Bund, 30,3 auf Landesebene - habe die SPD "in eine Krise gestürzt", heißt es in dem Leitantrag, nun stehe sie als "Volkspartei auf dem Prüfstand". Doch während die ehemalige Europaabgeordnete Karin Jöns ihrer Partei bescheinigt, in einem "katastrophalen" Zustand zu sein, können andere GenossInnen mit dieser Beschreibung nichts anfangen. Sieling warnt sein Partei gar davor, jetzt Strukturdebatten zu eröffnen.
Und inhaltlich? Will man "keine schnelle Lösungen" benennen. Am Ende reduziert sich vieles auf ein "Glaubwürdigkeitsproblem" - ein Wort, das an diesem Abend immer wieder die Runde macht. Volker Kröning, der bis vor kurzem für die Bremer SPD im Bundestag saß, findet, dass man, nun, nicht alles, aber doch das meiste richtig gemacht habe - und es vielmehr darauf ankäme, es den Bürgern "leibhaftig zu erklären". Auch Tschöpe spricht von einer "gesunden, guten Programmatik". Der Leitantrag nennt die Agenda 2010 eine "politische Fehlorientierung" und lobt zugleich den "konsequenten Einsatz für Mindestlöhne".
Konsequent? Die SPD habe sie nicht mit denen beschlossen, mit denen sie dies hätte tun können, sagt Isola - der Linkspartei. Und statt kurz vor der Wahl auf eine Koalition mit den Liberalen gesetzt. Die keine Mindestlöhne wollen. Der SPD, sagt Isola, gelinge es nicht, "Wollen und Handeln in Deckung zu bringen". Er attestiert seiner Partei, "keine Grundüberzeugungen zu haben". Schließlich werden die Delegierten einen Antrag beschließen, der die SPD "erneuern" soll, auch in Bremen. Darin geht es um einen "Tag des Ortsvereins", das Auftreten im Internet, ein Neumitgliederprogramm, die "Öffnung nach außen".
Für Sieling kommt es jetzt vor allem darauf an, dass Bremen für die SPD "gehalten" wird, zumal man doch, wie die Jusos versichern, ein "linker Landesverband" sei. Einer, dessen Bürgermeister Henning Scherf die Agenda 2010 einst verteidigt hat. Mit Rot-Grün jedenfalls sind hier alle zufrieden, Tschöpe nutzt seine Antrittsrede vor allem, um gegen die CDU Thomas Röwekamps zu Felde zu ziehen. Und um seiner Partei zu sagen, dass nicht alles, was sie beschließt, auch umgesetzt wird. Wegen "Sachzwängen".
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